Madonna, ein Blonder!
Mensch Meier – und schiebt ein » Che cavolo« hinterher. Che cavolo heißt wörtlich übersetzt » Was für ein Kohl!« und ist die jugendfreie Variante von » Che cazzo!« . Solche Wendungen, bei denen jeder weiß, was man meint, obwohl man es nicht sagt, gibt es einige. Das sinnfreie » Madosca!« etwa anstelle des Ausrufs » Madonna!« oder » Porco zio«, Schweinsonkel, statt » Porco dio«, was Schweinsgott hieße und ein schlimmer Fluch wäre.
Mühsam schaffen wir es bis zu einem Parkplatz mit spektakulärem Blick über die Abruzzen. Wir wollen den Wagen abkühlen lassen.
» Oh«, sage ich nur, als ich unser Auto zwischen zwei anderen zum Stehen bringe. Links und rechts in den parkenden Wagen sitzen schmusende Pärchen. » O Gott, wie peinlich«, sagt Elisa und rutscht im Beifahrersitz nach unten.
Eindeutig dient dieser Parkplatz sehr speziellen Zwecken.Verstohlen luge ich nach draußen. Die Jungs und Mädels sind etwa Anfang 20. Wahrscheinlich wohnen alle noch bei ihren Eltern und verlegen deshalb sämtliche weitergehenden Intimitäten ins Auto und auf diesen Parkplatz.
Ich versuche mich auf die Aussicht zu konzentrieren. Schön ist es hier schon, das muss ich zugeben. Aber Elisa kann ich nicht dafür begeistern. Sie ist mit dem Kopf so weit nach unten gerutscht, dass sie jetzt bequem das Handschuhfach besichtigen könnte. Wer weiß, vielleicht fürchtet sie ja, dass jemand sie kennt. Angolo del mondo, nein, Angolorotondo ist schließlich nur rund 50 Kilometer entfernt.
Dann müssen wir eben, ohne die Aussicht zu bewundern und ohne zu schmusen, still hier sitzen und warten. Ich schaue unschlüssig geradeaus in die im Abendsonnenschein liegenden Hügel. Auf ein kleines Mäuerchen, das den Parkplatz vom Abgrund trennt, sind Liebesschwüre gesprüht. Giulio e Marta per sempre (Julius und Marta für immer) steht da. Ti amo Principessa (Ich liebe dich, Prinzessin) . Tu sei tutta la mia vita (Du bist mein ganzes Leben). Wer nicht mindestens einmal für seine Liebste irgendein öffentliches Bauwerk beschmiert, gilt offenbar in Italien als völlig unromantisch. Liebesbotschaften an Wände oder auf Straßen zu sprühen, scheint so normal zu sein, wie eine SMS zu schreiben, und ist einfach ein weiteres Medium.
Es ist 18 Uhr, hier in den Bergen wird es selbst im Sommer jetzt schon dämmrig. Wenn das Ganze nur ein Tagesausflug sein soll, müssen wir langsam nach Rom. Ich drehe mich um und inspiziere unseren restlichen Proviant: Nur Cola. Das eignet sich nicht als Kühlwasserersatz.
» Äh, Elisa«, sage ich, » ich glaube, ich gehe mal raus und frage die anderen… Kühlwasser, du weißt schon.«
Sie legt nur die Hände übers Gesicht und sagt nichts.
Ich steige aus, mache ein paar Schritte, dehne und strecke mich völlig übertrieben. Dabei schaue ich verstohlen nach einem Auto, in dem nicht geknutscht wird. Ich finde keines. Bei manchen ist sogar die Windschutzscheibe verhängt, bei anderen ist das Auto einfach von innen beschlagen. Da sollte ich wohl lieber nicht anklopfen.
Als ich zurückkomme, hat Elisa immer noch die Hände vor den Augen.
» Nichts«, sage ich und schlage die Tür zu. » Probieren wir es noch mal.«
Unter gutem Zureden und indem wir die Kühlwasseranzeige ignorieren, schaffen wir es bis zum Eingang des nächsten Ortes, dessen Namen wir einem quer über die Straße gespannten Plastikbanner entnehmen. Sindolini heißt das Dorf, und derzeit findet hier das 15. Hackbällchenfest statt, was immer das bedeuten mag. Sagra della polpetta a Sindolini.
Wir fahren weiter auf der » Straße des dritten sardischen Granatwerferbataillons« bis zum Ortsende, wo es einen Automechaniker geben soll. Im Prinzip zumindest, denn heute sind wegen des Festes jene Art von Eisenrollläden heruntergelassen, mit denen sich selbst feine Läden in Rom vor Einbrechern schützen, die ihnen aber im Gegenzug die Anmutung einer Garage verleihen.
In der Pension nebenan verneint man unsere Frage, ob es noch eine zweite Werkstatt gebe, die offen sei, aber man bietet uns an, über Nacht zu bleiben.
» Cazzo«, flucht Elisa. Sie hat weder Lust auf Fleischpflanzerl noch auf eine Nacht in Sindolini.
» Matrimoniale?«, fragt die Wirtin.
» No« , sagen Elisa und ich entrüstet im Chor. » Wir nehmen natürlich zwei Einzelzimmer!«
Natürlich!
Eine halbe Stunde später steuere ich auf dem Dorfplatz direkt auf einen Stand zu, über dem ein Schild mit der Aufschrift Passione: polpetta verkündet, dass man hier der
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