Madonna, ein Blonder!
hat erkannt, welche Gefahr von mir ausgeht.
Zweite Runde: » Emartin Solar« schallt es über den Dorfplatz.
» Emartin Solar auf die Bühne! Emartin Solar.«
Ich atme tief ein. Eine wunderbare Luft. Am klaren Nachthimmel sehe ich die Lichter eines Flugzeugs blinken, ansonsten ist es bis auf wenige erleuchtete Dörfer in der Ferne fast ganz finster. Nur im Westen erahnt man noch etwas mehr Licht auf den Berggipfeln, den Rest der schon untergegangenen Sonne. Was für ein Tag! Ich schreibe eine SMS an Uli: » Viele Grüße aus den Abruzzen, ich gewinne gerade einen Karaokewettbewerb. Sonst nichts Besonderes.«
Kurz bevor ich auf die Bühne gerufen werde, piepst es. Uli. » Waaas? Na, dann leg mal los!«
Ich gebe dem DJ ein Zeichen, und es geht los: » Eins zwei Polizei, drei vier Grenadier, fünf sechs alte Hex, sieben acht gute Nacht.« Der große Hit der Neunzigerjahre! Kein Italiener, der das nicht singen oder sprechen kann! Und jetzt singt es ein Deutscher, hier auf der Bühne. Das Publikum johlt.
Ich gehe in Roboterschritten übers Podium. Beim dritten Mal » Eins zwei Polizei« springe ich ins Publikum und halte meinen Fans das Mikrofon hin: » …drei vier Grenadier, fünf sechs alte Hex, sieben acht gute Nacht…« Mit einer akrobatischen Breakdancenummer überlebe ich den Mittelteil, bevor ich nach dem letzten » gute Nacht« in die Knie sinke, zur Seite falle und– die Musik ist schon aus– atemlos » Buona notte!« ins Mikrofon hauche.
Beim Applausometer liege ich gleichauf mit einem jungen Konkurrenten. Nun soll ein Stechen entscheiden: er mit seiner Partnerin, ich mit meiner: Elisa!
Das andere Pärchen fängt an– und zieht eine Waffe, die mir unbekannt ist: Akrobatik. Zu einer Technoversion von Azzurro wirbelt mei n Konkurrent seine Tanzpartnerin durch die Luft und knöpft sich an einer ruhigeren Stelle sein weißes Hemd auf, wirft es ins Publikum.
Damit hat er endgültig die Altersklasse bis 59 erobert. Elisa und ich brauchen jetzt den Rest.
Mit einem feindlichen » Buona fortuna!«, viel Glück, übergeben uns unsere Konkurrenten die Mikrofone. Drei, zwei, eins– ich gebe dem DJ ein Zeichen, wir singen ins Mikrofon, nichts. Die Musik läuft, der Text auf dem Fernseher auch schon, vor der Bühne sehe ich den Konkurrrenten fröhlich winken, in beiden Händen hält er zwei Batterien.
Er hat uns sabotiert.
Ich werfe Elisa eines der beiden zur Sicherheit bereitliegenden Kabelmikrofone zu. Das Lied läuft längst: Un estate italiana.
Notti magiche / inseguendo un goal / sotto il cielo / di un’estate italiana.
Bei » sotto il cielo di un’ estate italiana« laufe ich mit der italienischen Fahne über die Bühne, das Publikum johlt.
Als ich singe, knie ich vor Elisa nieder.
Das kommt an. Ich sehe Frauen im Publikum, die vor Rührung ihre Hände falten.
Jetzt ist Elisa wieder dran:
Notti magiche / inseguendo un goal / sotto il cielo / di un’estate italiana.
Ich laufe ein weiteres Mal mit der italienischen Fahne über die Bühne. Nur merke ich nicht, dass ich mich langsam ins Mikrofonkabel einwickle. Gerade singt Elisa noch » un avventura in piu, un avventura … goal«, da falle ich wie eine Roulade zu Boden.
Autsch!
Dann ist das Lied aus.
Nachdem mich Elisa aus dem Mikrofonkabelwirrwarr befreit hat, können wir uns verbeugen und einen freundlichen Applaus ernten. Das Liebeswochenende in den Abruzzen gewinnen unsere Konkurrenten. Aber wir brauchen ja gar kein weiteres. Wir sind schließlich schon mittendrin.
Als wir uns nämlich verbeugen, drängt sich ein Fotograf der Lokalzeitung nach vorne und ruft: » Bacio!« Und als sei es das Normalste von der Welt, geben wir uns unter anfeuerndem Applaus auf dem Dorfplatz von Sindolini unseren ersten Kuss.
Als wir am nächsten Morgen zum » Frühstück« (Espresso und Butterkekse) in die Bar der Pension kommen, empfängt uns die Wirtin mit dem Exemplar der Abruzzenzeitung Il Centro: » Complimenti« , sagt sie und schlägt mir auf die Schulter. » Schau!«
Die halbe Zeitung ist voll von uns beiden.
» O Gott«, stöhnt Elisa.
Unter der Überschrift » Der Gesang der Liebe in Sindolini« berichtet die Zeitung über den gestrigen Karaokewettbewerb. Eines der Fotos zeigt Elisa und mich beim Kuss.
Sie wird ganz blass. » O nein.«
Die stolze Wirtin ist irritiert. » Was ist?«
» Erscheint die Zeitung auch in Angolorotondo? Von dort stammt meine Familie.«
Die Wirtin lacht: » Klar, die Zeitung erscheint in der ganzen Gegend! Dann
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