Madonna, ein Blonder!
Packungen, die wir dann an unsere Geschäftspartner und Großkunden verteilen.« Zwar seien wir nicht prominent, aber da seine Firma künftig auch ins Ausland verkaufen wolle… Es folgen Hinweise auf den deutschen Markt und meinen Beruf: » Ein Artikel von Ihnen…«
Ich verstehe. Hier wird gerade Freundschaft geschlossen, die zwar nicht in einen sconto mündet, von der beide jedoch irgendetwas haben sollen: Ich darf mich rühmen, eine Pasta kreiert zu haben, und er bekommt einen netten Artikel. Ist das unmoralisch? Na ja, ich hätte ohnehin über die Fabrik geschrieben– und schließlich geht es nur um Nudeln, nicht um ein Rüstungsgeschäft.
Allerdings fühle ich mich wahnsinnig unkreativ heute. Das Einzige, was ich jetzt noch könnte, wäre Nudeln zu essen. Aber Nudeln entwerfen? » Sie haben doch schon 100 Sorten Nudeln oder mehr. Was kann ich denn da noch erfinden?«
» Eeeeh«, macht Signor Arcangelo, was wohl heißen soll: » Dir wird schon was einfallen!«
Mit einem » Prego!« führt der Direttore uns zu einem weiteren gewaltigen Tisch in der Länge von zwei Tapeziertischen: Zur Inspiration bekommen wir jetzt die Pasta-Kreationen unserer Vorgänger vorgeführt: Nudelpackungen in allen Variationen: vornehme, olivgrüne Pappschachteln, weiß beschriftet wie von der Hand O sole mio singender Omas. » Das hier«, sagt Signor Arcangelo und nimmt eine der Packungen in die Hand, » ist die Pasta 2008 von Marco Casta.« Ich nicke– keine Ahnung, wer das ist. Signor Arcangelo drückt mir die Schachtel in die Hand, auf der nachzulesen ist, Marco Casta habe 2007 die lokale Castingshow Amore abruzzese gewonnen. Unter einem Foto, auf dem Marco Casta so verführerisch wie möglich schaut, steht der schmalzige Trext: » Mein Herz schlägt für die Abruzzen– und für Arcangelo-Pasta!«
O Gott, so etwas soll ich jetzt auch machen?
Mit einer aufmunternden Handbewegung fordert mich der Direttore auf, in die Packung zu greifen. Ich ziehe eine Handvoll Nudeln hervor und schaue sie mir ungläubig an. Penisse? Der Marco Casta ist anscheinend ein ehrlicher Typ.
Bevor ich meine Mutmaßung äußern kann, sagt der Herr der Nudeln zum Glück: » Er hat für uns eine Mikrofonnudel gemacht«, und zeigt uns weitere Beispiele für seine » Sonderedition Prominentenpasta«. Nudeln, die » Bacio« heißen und Kussmünder imitieren oder einfach eine » 1«. Letztere verdankt sich dem Präsidenten des örtlichen Fußballclubs, und der Name soll sich wohl auf den erhofften Tabellenplatz beziehen.
Ein paar Minuten später stehen wir in einem mit Edelstahl ausgekleideten Raum vor einem teppichgroßen, flach gepressten Nudelteig. Wir tragen jetzt nicht mehr nur eine Haube, sondern überdies eine Plastikschürze und Latexhandschuhe.
Neben dem Nudelteig liegt Werkzeug: dünnere und dickere Messerchen, Spachteln, glatte und gewellte Rädchen. Ich nehme mir eines der wie Teppichmesser aussehenden Werkzeuge und fahre einmal quer durch den Teig. Er ist weich, aber fest. Wie Teig für Weihnachtsplätzchen.
» Haben Sie schon eine Idee?«
Elisa und ich schütteln gleichzeitig den Kopf.
Dann legen wir los: Wir schneiden im Teig herum und formen geometrische Figuren: Kreise, die ich zur Sonne über den Abruzzen erklären könnte, und eine 50 Zentimeter lange Nudel, die sich mit viel Fantasie vielleicht als Autobahnstrecke Pescara– Rom deuten ließe. Signor Arcangelo geht um uns herum und feuert uns an. » Lassen Sie Ihre Gefühle sprechen!« Oder: » Ich will Leidenschaft sehen!« – Passione!
Wie kann man Ideenlosigkeit und Hunger plastisch darstellen?
Ich schneide schließlich ein Herz aus, Signor Arcangelo schüttelt den Kopf. » Hatten wir schon. Pasta 1997.«
Schließlich ist es Elisa, die eine Idee hat. Sie schneidet einen Halbkreis aus dem Teig und höhlt diesen aus. Jetzt sieht es aus wie ein Halbmond.
Was hat sie vor? Eine türkische Fahne?
Signor Arcangelo und ich geben fast gleichzeitig ein irritiertes » Eeeeeeh?« von uns.
Elisa ist Feuer und Flamme. » Das ist Emotionspasta«, sagt sie.
Der Direttore und ich schauen uns an. Spinnt die?
Doch Elisa macht unbeirrt weiter und schneidet zusätzlich noch zwei Punkte aus: » Wenn man gut drauf ist, kann man damit einen Smiley legen: . Und wenn man schlecht drauf ist, das Gegenteil: .«
Elisa strahlt. Und Signor Arcangelo? Er ist begeistert.
» Fantastico! Grande! Bellissimo! Diese Pasta spricht die Sprache der Jugend.« Er legt jetzt und und dann ein
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