Madonna, ein Blonder!
für Elisa die beste in den Abruzzen. Elisa hat dort angerufen.
» Der Direttore erwartet uns.«
Nur dass wir den Weg nicht finden. » Scusi«, ich kurbele die Fensterscheibe herunter und frage einen Passanten nach » Arcangelo-Pasta«.
Das hätte ich mir sparen können, denn natürlich sagt der Mann genau das, was ich auch in Rom bei ähnlichen Gelegenheiten zu hören bekomme: » Sempre dritto «, immer geradeaus. Egal ob sie es wissen oder nur vermuten oder gar keine Ahnung haben, Italiener schicken einen stets geradeaus.
Ich ringe mir ein unechtes » Grazie!« ab und fahre sempre dritto, und zwar auf einer Straße, die » Straße der Europäischen Union« heißt. Ein bemerkenswertes Bekenntnis zu Europa hier mitten in den Abruzzen.
Doch es kommt noch besser: Die » Straße der Europäischen Union« kreuzt die » Demokratiestraße«, die » Resistenzastraße« und die » Straße des Vertrags von Maastricht«.
» Dieses Talento gibt sich ja ganz schön weltgewandt«, sage ich mit leichter Belustigung.
Elisa erzählt mir, dass Bekannte ihrer Eltern in Rom in der » Fotografiestraße« wohnen und andere in der » Automobilstraße«. Merkwürdige Straßennamen aber schicker als bei uns Maiglöckchenstraßen, Gänseblümchenwege und andere blühende Spießigkeiten.
Endlich ein Wegweiser! Von nun an führen uns Hinweisschilder zur Arcangelo-Nudelfabrik– über Straßen, die an glorreiche oder als groß verklärte Momente der italienischen Geschichte erinnern. Wir fahren die » Via 20. Settembre« entlang, dann die » Via 25. Aprile« und schließlich die » Via 8. Septembre«. Alles Daten bedeutender Siege, Einmärsche und Umstürze.
» Ihr seid aber ein stolzes Volk«, murmle ich.
Elisa meint trocken: » Früher konnten wir’s sein.« Die Frage sei nur, nach welchen Ereignissen der jüngeren Geschichte einmal Straßen benannt werden könnten.
» Io non lo so«, sagt Elisa, und um zu unterstreichen, dass sie es nicht wisse, hebt sie die Hände wie jemand, der sagt: » Ich ergebe mich.«
Es ist schon fast 13 Uhr als wir auf einen kleinen Parkplatz vor einem sehr gepflegten Fabrikgebäude halten. Man hat uns offenbar erwartet, denn ein Mann, dünn wie eine der Nudeln, die hier vermutlich hergestellt werden, kommt auf uns zu. » Eccoci«, ruft er schon aus der Ferne. Der Spaghettimann stellt sich als » Signor Arcangelo, Direttore «, vor. Entweder mag er seine eigene Pasta nicht, oder er hat einen formidablen Stoffwechsel. Wäre ich Direktor einer Pastafabrik, dann sähe ich bestimmt anders aus.
» Enschuldigen Sie die Verspätung«, setze ich an und will ganz aufrichtig erklären, dass wir etwas zu spät losgekommen sind und uns dann noch ein bisschen verfahren haben, doch Elisa fällt mir ins Wort und sagt: » Eeeeh , il traffico .«
Das reicht völlig. Signor Arcangelo nickt verständnisvoll, murmelt seinerseits etwas von » Si, si, traffico!« und » Roma!« , sagt dann » Andiamo!«, und wir betreten die Nudelfabrik. Zu meiner Verwunderung empfangen uns nicht dicke Mamas, die O sole mio singen und dabei liebevoll von Hand Nudeln drehen, sondern Träume aus Edelstahl, die die NASA entwickelt haben könnte.
» Eeeh, Hygienevorschriften!« Wir setzen weiße Stoffhauben auf, und Signor Arcangelo legt los: vierte Generation, angefangen in der Küche eines Bauernhofs, auch er als Kind schon dabei, dann Wirtschaftswunder, Export und jetzt beliebte Feinschmeckerpasta. Schneller als ich es aufschreiben kann, lässt Signor Arcangelo sich begeistert aus über lange und kurze, dicke und dünne Nudeln, Nudeln mit Loch und Nudeln ohne Loch, gezwirbelte und gebogene Nudeln, grüne, mit Spinat gefärbte Nudeln, Eiernudeln und Suppennudeln. Für Auflockerung sorgt Elisa, die bei den schraubenförmig gewundenen Fusilli sagt, sie » schauen aus wie deine Haare«, und bei den hauchdünnen Spaghetti, die Capelli heißen, sie sähen aus wie meine Haare, » wenn sie gekämmt sind«.
Haha, sehr witzig!
Hinter einem gewaltigen Teigkneter, bei dem ich trotz Geländers panische Angst habe hineinzufallen, treten wir an eine Art Tapeziertisch. » Und jetzt«, sagt Signor Arcangelo feierlich, » werden Sie die ›Pasta 2012‹ kreieren.«
Ich drehe mich suchend nach anderen Leuten um. Sie? Ich? Wer? Wir?
» Die Nudel 2012?«, frage ich. Elisa schaut mich an und zuckt mit den Schultern. Signor Arcangelo strahlt. » Jedes Jahr erfindet ein Prominenter eine neue Sorte, von der wir 500 Kilogramm produzieren– das sind 1000
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