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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zöller
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im Lokal, ich verbeuge mich grinsend und suche mir einen Platz, begleitet von weiteren Kommentaren des Kellners mit dem Mikrofon. » Setz dich endlich, du grauenhafter Dummkopf.«
    » Ist da noch frei?« Ich drängle mich auf meine Bank. Meine Tischnachbarinnen– eine Gruppe neapolitanischer Hausfrauen auf Tagesausflug– sind begeistert über den blonden jungen Neuzugang, der verspricht, heute alle Attacken auf sich zu ziehen wie ein Reh früher im Kolosseum die Löwen und Tiger.
    Der erste Löwe stürzt sich auf mich: ein dürrer Kellner mit tief liegenden Augen, der mehr tot als lebendig aussieht, knallt mir die Speisekarte hin. » Such dir was aus, Arschloch.«
    Alle am Tisch lachen.
    Ich bestelle Nudeln und ein Steak. Der Kellner grinst und sagt: » Vaffanculo, idiota. Leck mich, Idiot.« Aber immerhin, er hat meine Bestellung aufgenommen. Und man muss ihm eines lassen: Er nimmt kein Blatt vor den Mund.
    » Idiota meint er nicht ernst«, beruhigt mich eine der Neapolitanerinnen, die sich als Giuseppina vorstellt. » Wer in Rom befreundet ist, beschimpft sich.«
    Ich denke an Susanna, meine Schwiegermutter in spe. Wenn die Theorie stimmt, liebt sie ihren Mann abgöttisch.
    Dann knallt mir der finster aussehende Kellner den Teller Nudeln mit den Worten auf den Tisch: » Hier die Spaghetti. Mortacci tua! «
    » Mor… was?« Meine Nachbarinnen kriegen sich kaum mehr ein vor Lachen, darüber, wie ich hier verbal verdroschen werde.
    » Mortacci tua!«, sagt Giuseppina. » Das heißt ›deine unwürdigen Verstorbenen‹! Der am meisten verbreitete Fluch in Rom!« Köstlich, dass ich nicht mal weiß, was mir der Kellner alles an den Kopf knallt!
    » Mortacci tua!« Hab ich noch nie gehört. Gedanklich gehe ich die verbalen Zusammenstöße der letzten Wochen durch. Tatsächlich hörte ich kürzlich aus einem Autofenster einen ähnlichen Laut, ein » ’cci tua« , als ich mit dem Moped, ohne zu blinken, rechts überholte. War das » Mortacci tua«?
    » Es ist ein Fluch gegen die Familie«, erklärt Giuseppina, » mit Mortacci tua! wird nicht nur man selbst, sondern die ganze Sippschaft der vergangenen Jahrhunderte verflucht.«
    Ich überlege, wie weit ich die Namen meiner Ahnen kenne, und schaffe es nur bis zur einen Hälfte der Urgroßeltern. Ich nehme mir vor, sie ab jetzt nicht mehr verfluchen zu lassen.
    Basta!
    Als ich das Steak bekomme, kriege ich es wieder hingeknallt, diesmal mit einem: » Iss das und halts Maul!« sowie einem angehängten » Mortacci tua«. Doch diesmal schlage ich es mit einem herzhaften » Vaffanculo« – du kannst mich mal– zurück. » Bravo«, sagt der finstere Kellner und klopft mir auf die Schulter. Er lächelt zum ersten Mal und sieht aus wie ein Fechtlehrer, der sich freut, dass sein Schüler erstmals einen Angriff abgewehrt hat.
    Je länger der Abend dauert, desto schlechter schmeckt zwar das Essen im » Parolaccia«, aber desto befreiender wirkt auf mich die Schimpferei: reinigend wie ein Sommerregen, über den man sich erst ärgert und in den man sich dann mitten hineinstellt. Welches Schimpfwort mir auch immer entgegenfliegt, ob zum Nachtisch oder zum Espresso, ich schlage es filigran zurück. (Allein die Vorfahren meines Kellners verfluche ich an die fünf Mal.) Als ich mich am späten Abend verabschiede, adelt der Kellner mich mit dem Satz: » Vieni a trovarci, stronzo« – Komm bald mal wieder vorbei, Arschloch! Und dazu drückt er mir zwei Bussis auf die Wangen.
    Natürlich bleibt mein Besuch im » Parolaccia« nicht folgenlos. Weil ich mich aber gegenüber Elisa nicht traue, mein neues Schimpfwort-Repertoire anzuwenden, brenne ich darauf, es anderweitig loszuwerden. Es gelingt schon am Abend des nächsten Tages im » Papagallo«: Wir sind um 22 Uhr zum Essen verabredet, wollen aber vorher noch ein Bier trinken– fare un aperitivo . Schließlich bekommt man im »Papagallo« zum Bier noch bessere Tramezzini als bei Amadeo im »Mezzogiorno«.
    Jetzt stehen wir bei Manuele an der Kasse– Manuele ist jener Kassierer, der sich immer gegen Scheine wehrt, mit dem ich aber mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis habe.
    » Was nehmt ihr?«
    » Sag du«, sagt Elisa zu mir.
    Na gut! Ich probiere jetzt einfach mal aus, was passiert: » Zwei kleine Biere, stronzo, mortacci tua! «
    Elisa fällt fast rückwärts um. » Was sagst du da?«
    » Der stronzo soll uns zwei kleine Bier kassieren.«
    Manuele verschlägt es fast die Sprache. Er schaut mich groß an. Dann lacht er,

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