Madonna, ein Blonder!
schlägt mir freundschaftlich mit der Hand auf die Schulter, reicht mir den Kassenzettel und sagt: » Hier, pezzo di merda! Bist ja schon fast ein Römer!«
Mein Gott, bin ich stolz!
Als wir am Tresen stehen und das Bier trinken, starrt mich Elisa abschätzig an: » Ich hätte dich nicht ins ›Parolaccia‹ gehen lassen sollen. Ich hätte dich einfach nicht ins ›Parolaccia‹ gehen lassen sollen.«
» Boh«, sage ich gut gelaunt. » Ich war aber da!«
Aber: Meine gute Laune verfliegt im Laufe des Abends rasch. Denn Elisas Schulfreunde, mit denen wir zum Essen verabredet sind, verspäten sich in einer Art und Weise, die mich geradezu erschüttert. Jetzt warten wir schon über eine halbe Stunde an der Piazza Triulassa in Trastevere. Schön hier. Aber: Hallo? Kommt da mal jemand?
Während mir– trotz Aperitivo– der Magen knurrt, sagt Elisa fröhlich: » Mir macht das nichts aus. Ich kann warten.«
» Und warten lassen«, gebe ich mürrisch zurück.
22 Uhr war ausgemacht, immer noch keiner da. Um halb elf hole ich mir eine Pizza auf die Hand, um meine Überlebenschancen zu wahren. Ich rechne nicht mehr damit, dass wir wirklich essen gehen– um diese Zeit!
Um 23 Uhr kommt die erste Freundin von Elisa und entschuldigt sich mit il traffico, dem Verkehr.
Na klar! » Mortacci tua! Das kannst du deiner Oma erzählen!«, würde ich am liebsten sagen. Tue es aber besser nicht. So warten wir nochmals eine Dreiviertelstunde auf die anderen Freunde. Einer nach dem anderen trudelt ein und redet von Il traffico . Ich fühle mich jetzt eigentlich danach, nach Hause zu gehen– schließlich ist morgen Freitag und Arbeit– doch die Gruppe ist sich auf verrückte Weise einig: Jetzt gehen wir alle Pizza essen!
Ichlache! Guter Witz! » Leute, um Mitternacht Pizza, seid ihr verrückt?«
Doch von allen Seiten ertönt ein » Ja, klar!«, auch von Elisa.
Die spinnen, die Römer!
Und so sitze ich schließlich am Ende der Tafel in der Pizzeria » Dar Poeta« und kann mich nur mühsam zurückhalten, meinen müden Kopf nicht in das weich aussehende, bereitgestellte Brot zu legen.
» Margherita«, murmle ich im Halbschlaf meine Bestellung.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Gegen halb eins schleppt der Kellner einen gewaltigen Berg frittierten Fisch, Reisbällchen und Zucchiniblüten heran. Ich probiere jeweils eins. Sie sind hervorragend, aber jeder Bissen wird später die Schlafqualität um 10 Prozent reduzieren. Wer isst so was schon mitten in der Nacht?
Um 1 Uhr, ich kann die Augen kaum noch offen halten, kommt die Pizza. Ab und zu sticht mir Elisa mit dem Zeigefinger in die Seite. Dann schrecke ich kurz auf und beteilige mich mit einem » Ach ja?« oder » Interessante!« am munteren Gespräch der alten Freunde.
Spätestens beim Kaffee höre ich meinen Magen zu mir sprechen: » Jetzt noch Kaffee– bist du bescheuert? Wie stellst du dir das eigentlich vor? Ich sag dir eins: Du wirst die ganze Nacht nicht schlafen!«
Schließlich, es ist mittlerweile fast 2 Uhr, kommt die Rechung und das Pagare alla Romana geht wieder los. Wie mir es Dino schon erklärt hat: Man teilt den Gesamtbetrag durch die Anzahl der Esser. Ein System, das so solidarisch daherkommt, in Wirklichkeit aber ein Ausbeutungssystem darstellt, da es nur auf Kosten der Gutmütigen und Großzügigen funktioniert: Derjenigen, die Grissini essen und Leitungswasser trinken und die Trüffel für die anderen mitbezahlen. Für den Wirt ist das praktisch: Der legt– » Grazie, ragazzi!« – die Rechnung hin und taucht erst wieder auf, wenn er einen Berg von Scheinen und Münzen auf dem Tisch sieht, den er dann in seinen Geldbeutel schiebt.
So ist das auch hier: Obwohl ich nur eine Margherita hatte und die drei frittierten Bomben, lege ich seufzend den errechneten Pro-Kopf-Anteil von 25 Euro in die Mitte.
Der Wirt sagt noch einmal » Grazie, ragazzi!« und zieht ab. Ha! Der macht sich es einfach. Soll er mal in einem Café einer deutschen Universitätsstadt kassieren und jede Saftschorle einzeln abrechnen!
» Hast du gesehen?«, lästere ich, als wir zu Hause sind. » Dein Freund Alfredo hat sicher für 35 Euro gegessen! Und ich für 15! Und wir zahlen beide 25. Das ist doch unfair!«
» Du bist ein Spießer«, meint Elisa.
» Alfredo macht es nämlich immer so. Sein secondo wird privatisiert, die Kosten aber werden sozialisiert!«
Elisa will nicht diskutieren. » Un bacio«, verlangt sie, dreht sich um und schläft.
Ich liege grübelnd da.
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