Madonna, ein Blonder!
als Matrosen auf See verbracht hatten.
Elisa hingegen war zuletzt vor einer Woche bei ihren Eltern.
Nach einer gefühlten Dreiviertelstunde lässt Signor Bianchi seine Tochter los, öffnet die Augen und wendet sich zu mir. Er reicht mir eine große, warme Hand und lässt nicht mehr los, bis er nach aus meiner Sicht viel zu langer Zeit endlich sagt: » Va bene, ragazzi, benvenuti.« Hereinspaziert!
Als Erstes fällt mir auf, wie gut das Nachrichtensystem in der Familie funktioniert: Im Flur der Wohnung liegt wie auf dem Präsentierteller der Zeitungsausschnitt über unseren Karaokeauftritt in den Abruzzen. Auf einem Post-it neben dem Kussfoto steht in roter Schrift: » Madonna , un biondo! « Offenbar haben Verwandte aus Angolorotondo den Bianchis den Zeitungsartikel geschickt und mit diesem treffenden Kommentar versehen.
Bin ich überempfindlich oder liegt in » Madonna, ein Blonder!« ein irgendwie entsetzter Unterton?
» Geh schon mal vor«, sage ich zu Elisa. Ich will in Ruhe die Verpackung vom Blumenstrauß lösen. Gar nicht so einfach: Ich stehe schon inmitten eines Haufens von Papier und Plastikfolie, als ich endlich zu den Blumen vorstoße. Es sind ein gutes Dutzend schönster Gladiolen, umrankt von allerlei Grünzeug. Nur leider haben sie die Fahrt mit dem Moped offenbar nicht gut vertragen: Als ich die letzte Folie löse, knicken sie nach unten weg.
Elisa kommt in den Flur. » Eeeh«, mache ich und halte ihr die Blumen hin. Sie knicken wieder nach unten.
» Eeeeeeeeliiiiiiiiiiiiiiisaaaaaaaaaaaaa«, kommt von drinnen, offenbar Elisas Mutter.
Elisa wird hektisch. » Jetzt komm! Wir stellen die Blumen einfach direkt in eine Vase!« Clevere Idee. Dann können sie nicht umknicken.
Aus dem Flur biegen wir nach rechts in eine Wohnküche. Ich halte die Blumen auf Höhe des Knicks.
Elisas Mama steht an der Küchenzeile. Jetzt dreht sie sich um: die gleichen glänzenden, gesunden Haare wie Elisa, das gleiche irgendwie spitzbübische Lächeln.
» Ecco, il biondino«, da ist ja der Blonde, sagt sie, » noch viel blonder als in der Zeitung!« Sie kommt auf mich zu.
Wo bleibt Elisa mit der Vase? Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie auf Zehenspitzen auf einem Stuhl steht und mit dem Zeigefinger nach einer Vase zu greifen versucht.
Mit einem » Buona sera, Signora Bianchi« und einem » Attenzione!«, Vorsicht! halte ich die Blumen hin. Doch sie spart sich die Vorsicht, gibt mir links und rechts einen bacio, nimmt die Blumen ausgerechnet genau unterhalb des Knicks an sich, und die Gladiolen fallen erneut auseinander, als wäre ein Sturm über sie hinweggefegt.
Jetzt passiert etwas, das mir innerhalb von 20 Sekunden das Wesen meiner Schwiegermutter für alle Zeit erklärt: Signora Bianchi macht » Oh«, lacht fröhlich, legt die Gladiolen auf ein Schneidebrett, nimmt ein Küchenmesser und schneidet sie auf Höhe des Knicks ab. Dann holt sie eine kleinere Vase vom Küchenregal, füllt sie mit Wasser und stellt die Blumen hinein.
» Ich bin praktisch veranlagt«, sagt sie dann, » und darin bin ich die Einzige in der Familie.«
Dann zieht mich Elisa ins angrenzende Wohnzimmer.
Dort wartet Signor Bianchi mit Sektkelchen. Das Wohnzimmer überrascht mich positiv. Es ist freundlich und hell und keineswegs nach der eisernen italienischen Wohnregel möbliert, die da lautet: Was dunkel ist und von der Uroma vererbt wurde, muss schön sein. Unwillkürlich fällt mir der Schwiegersohn meines Vermieters ein, der jetzt irgendwo in Kalabrien auf der alten Couch aus meiner Wohnung sitzt.
Signor Bianchi mischt Aperol, Prosecco und Mineralwasser in Sektgläsern mit dem Volumen eines Bierseidels. Wenn mich jetzt Amadeo aus dem » Mezzogiorno« sehen könnte! Ich bekomme einen Spritz von meinem– wer weiß?– Schwiegervater.
» Conosci Prosecco?« Ob ich Prosecco kenne, will er wissen!
Dankbar für den Einstieg ins Gespräch beschließe ich, mich ganz von der interessierten Seite zu zeigen, doch Elisa kommt mir zuvor.
» Papà, Martin kommt aus Deutschland, nicht aus dem Sudan, natürlich kennt er Prosecco, und außerdem wohnt er bereits seit ein paar Monaten in Rom.«
» Gut«, sagt Signor Bianchi. Ich habe den Eindruck, er wird von seinen Frauen ganz schön auf Trab gehalten.
Mir fällt plötzlich auf, wie stark Elisas römischer Akzent ist, wenn sie mit ihren Eltern redet: Wie der Numide im Ausguck des Piratenschiffs bei Asterix, der kein R aussprechen kann und immer warnt: » Schiff steu’bo’d vo’aus!« Aus
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