Madonna, ein Blonder!
angeboten werden. » Also, was haben wir denn Schönes… Wir haben Saltimbocca alla Romana, Lasagne al forno, Minischweineschnitzel mit Zitronensoße, frische Dorade vom Grill, Rinderfilet mit grünem Pfeffer…« Wer sagt da schon Nein?
Der Kaffee nach dem pranzo ändert nichts daran, dass ich mich jetzt eher nach Mittagsschlaf fühle. Denn was sollen die vielleicht zwei Dutzend vom Espresso aufgeputschten Körperzellen ausrichten gegen Millionen andere, die » Wir wollen schlafen« skandieren? So lasse ich mich willenlos von einer hübschen Mitarbeiterin der Pressestelle in den Saal eines Hotels schieben und die Wa hlka mpagne des Regionalpräsidenten über mich ergehen.
O Gott, ist das langweilig.
Ich lasse es einmal auf dem Handy von Elisa klingeln ( Squillo -Funktion » Ich denk an dich«), sie lässt es ebenfalls einmal bei mir klingeln, schreibt aber noch eine SMS : » tv1mdb. Chiamami dmn.«
Kann man sich eine seltsamere SMS vorstellen?
Noch vor Monaten hätte ich das für einen geheimen Code der CIA gehalten, doch inzwischen kann ich ihn dechiffrieren. Chiamami ist klar: » Ruf mich an.« Und der Rest? tv1mdb heißt ausgeschrieben ti voglio un mondo di bene – ich mag dich wahnsinnig gerne. Man spart glatte 17 Buchstaben und sagt trotzdem dasselbe. Bei dmn für domani sind es immerhin noch drei Buchstaben. Manche ägyptische Hieroglyphe auf einem römischen Obelisken sagt mir manchmal mehr als eine SMS von Elisa.
Nach Pressekonferenz und kurzer Stadtbesichtigung mache ich mich abends um sieben bereit für das große Abendessen » mit Tanz«. Elisa schreibt eine SMS . » Wie geht’s?« Ich will gerade antworten, da gibt mein Handy drei schluchzende Töne von sich und geht aus.
Als ich unten ankomme, ist der Saal schon halb voll. Unter einem Plastikbanner mit der Aufschrift: » Die Jugend für die Entwicklung Süditaliens« schenken ausgesucht attraktive junge Männer und Frauen Prosecco aus. Ich erkenne die hübsche Signorina, die mich schon vorher zur Pressekonferenz geführt hat.
Dino hat schon recht, denke ich. Aber ein Gedanke an Cousin Francesco vertreibt alle Hirngespinste.
Der große Saal ist wunderschön hergerichtet: Das Dutzend runder Tische, jeder für zehn Personen, ist mit schweren goldenen Kerzenleuchtern geschmückt, von der barocken Decke hängen auf mattes Licht gedimmte Lüster.
In meinem nächsten Leben werde ich Politiker in Süditalien, beschließe ich.
» Prego« – ein Saaldiener führt mich an meinen Platz neben einer Korrespondentin aus Frankreich, links sitzt noch niemand. Bis die hübsche Signorina kommt, sich als Mitarbeiterin der Pressestelle und als » Deborah « vorstellt und reihum » Buona seeeeera« wünscht. Hier sagen sie überall » Buona seeeeeera« ist mir schon aufgefallen. Und noch früher als in Rom.
Die junge Dame hat zweifellos eine kommunikative Ader. Anders gesagt: Sie kennt keinen Punkt und keine Pause. Schon nach ein paar Minuten weiß ich so ziemlich alles über die Wohltaten des Regionalpräsienten und die der ewigen Heiligkeit Silvio Berlusconi und erfahre darüber hinaus, dass Deborah gerade erst 22 ist und schon ihr Juraexamen macht.
Toll, Deborah, wirklich toll! Ich sehne mich bloß nach meiner Wohnzimmercouch und nach Elisa:
Warum bin ich nicht in Rom geblieben!
Dann tritt ein gemütlich aussehender Mann im dunkelbraunen Anzug an unseren Tisch. » Giulio Fughetta, Winzer aus Cosenza. Buona seeeeera. «
In der einen Hand hält er eine schwere Rotweinflasche, in der anderen zwei Gläser. » Wer will probieren?«
Na und ob!
» Wein trinken heißt leben«, sagt er und reicht mir das Glas, einen schweren Rotwein. Ich nippe nicht nur, sondern kippe alles in einem Zug hinunter. Anders weiß ich Superdeborah nicht zu ertragen. Wie konnte ich die überhaupt nur attraktiv finden?
Dann das Essen. Die Vorspeise wird von Musik begleitet, beweglicher Musik: Drei Männer gehen durch den Raum, einer mit Gitarre, einer mit Akkordeon, der dritte, ein dicklicher grauhaariger Zwerg, singt dazu. Ein schneller Rhythmus, eine lustige Melodie, ich verstehe kein Wort. Außer ciccio. Deborah neben mir lacht jedes Mal, wenn der Sänger bei » ciccio« auf mich zeigt, und klärt mich auf. » Ein Lied über einen rothaarigen, dicken und kleinen Jungen mit einer langen Nase, der 100 Spitznamen hat, bis man sich auf einen einigt: Ciccio. «
Vielleicht gar keine schlechte Idee! Ciccio finde ich grundsätzlich besser als biondo, biondino, pezzo di merda oder
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