Madonna, ein Blonder!
und sagt » Buon giorno!«, wendet sich ab und geht zur Treppe.
So viele Tiefschläge– das halte ich nicht aus. Zwei Stunden später löse ich eine Fahrkarte für den Liegewagen nach München.
Allora vai! Von München zum Madonnenlauf
Anfangs finde ich es großartig in München: keine Taxifahrer, die nach blonden Opfern Ausschau halten, keine verdreckten Bahnsteige, S-Bahnhöfe, die ausschauen wie Museen zeitgenössischer Kunst, Busse, die pünktlich kommen. Und auch meine erste Leberkässemmel nach Monaten schmeckt mir ganz außerordentlich. Ich will ein paar Tage Heimaturlaub machen, um den Kalabrien-Fauxpas zu vergessen.
Als ich an einem der ersten Tage ziellos durch die Stadt laufe, treffe ich am Marienplatz einen Studienfreund. Erst als ich sehe, wie komisch er mich anschaut bei der Begrüßung, merke ich, dass es hier unter Jungs nicht üblich ist, einzuschlagen wie Tennisspieler und Bussi-Bussi zu machen. In einem S-Bahn-Untergeschoss kaufe ich mir an einem mobilen Kaffeestand einen Cappuccino für 2 Euro 70. Als mir die Verkäuferin zusätzlich zwei Portionen Kaffeesahne anbieten will, lehne ich dankend ab. Auch Sonderwünsche wie » in heißer Tasse« oder » mit extra Schaum« versteht sie wohl nicht. Sie reicht mir schon den Pappbecher herüber.
Alles ist halt anders hier. Niemand kennt einen squillo – auf einfache Fragen antworten meine Freunde mit okay oder einem Ja, anstatt komplizierte Klingelaktionen mit dem Handy zu starten. Mopeds gibt es in München ebenfalls so gut wie nicht, und wenn man mal eines sieht, tragen die Fahrer einen uneleganten Kompletthelm, aus dem bestimmt kein aufklappbares Handy herausschaut.
» Cazzo«, murmle ich vor mich hin. Ich weiß einfach nicht mehr, wo ich hingehöre.
Ich lasse mich von einem Freund zu einer Bergtour überreden. Drei Tage wandern und abends auf einer Hütte ohne Handynetz würden mir sicher guttun. Gerade als ich in einem Sportgeschäft das x-te Paar Wanderschuhe anprobiere, klingelt das Telefon. Einmal.
Dino! Ein squillo von ihm?
Ich gehe davon aus, dass Dino die squillo -Funktion » Ruf mich zurück, ich habe kein Geld mehr auf der Handykarte« benutzt hat.
Eilig lasse ich die Wanderschuhe liegen und rufe ihn pflichtbewusst an.
Er hält sich nicht lange auf: » Cazzo, wo bist du? » du dummer Junge, du musst unbedingt nach Angolorotondo kommen!«
Ich erkläre Dino, dass ich gerade in München bin, weil mein römisches Leben in Trümmern liegt.
» Ts«, macht Dino. »Ich sag’s dir, alles wird gut, aber jetzt musst du erst mal zum Madonnenlauf antreten.«
Zum Madonnenlauf? Zu dieser Geschichte, von der Don Giorgio gesprochen hat? Das ist doch Wahnsinn! » Dino…«, fange ich an.
Er lässt sich nicht darauf ein. » Allora: Kommst du oder kommst du nicht?«
So schnell geht das nicht. » Dino«, sage ich, » ich ruf dich zurück!«
Leise höre ich Dino » Managgia!« flüstern, dann legt er auf.
Was soll ich bei diesem Madonnenlauf? Mich zum Deppen machen?
Einen Moment später klingelt schon wieder das Telefon: Uli ist dran. Sie klingt außer Atem.
» Hat Dino dich erreicht?«, fragt sie.
» Ja!« Ich bin verdutzt. Woher weiß sie das denn?
» Und? Fährst du?« Dino scheint Uli angerufen und auf mich angesetzt zu haben. Haben die beiden in Rom Nummern getauscht? Sie lässt mich nicht zu Wort kommen.
» Ich weiß nicht, ob ich fahre«, sage ich wahrheitsgemäß.
» Was? Du weißt es nicht? Bist du verrückt?« Uli klingt echt entsetzt. » Du musst fahren! Du musst kämpfen!«
» Meinst du?«
Uli macht nur ein seufzendes » Ooooooooaaaaaaaaaaah! Madonna! Mach schon!!!!! Vai! «
Als Dino mit einem » Pronto?« ans Telefon geht, sage ich nur: » Dino! Ich komme! Morgen früh!« Ich habe zwar nur noch eine geringe Chance, Elisa zurückzubekommen– aber die muss ich nutzen.
Als der Nachtzug in Rom ankommt, renne ich am kanariengelben Taxifahrer und den ähnlich schlimmen normalen Taxifahrern vorbei zu meinem Moped und düse zum » Papagallo«. Ich halte es vor Spannung kaum noch aus: Was ist mit Elisa? Was mit dem Madonnenlauf? Hat Dino mir verziehen? Fragen über Fragen.
Es sieht gut aus. » Eccolo!« Dino kommt um den Tresen herum, wir schlagen ein und machen Bussi-Bussi. Er umarmt mich wie einen verlorenen Sohn und stellt mir umgehend einen Cappuccino hin.
Wie ich den vermisst habe!
Ich nehme rasch einen tiefen Schluck. » Dino! Bitte! Jetzt sag sofort, was los ist!« Ich will auf der Stelle wissen, ob es noch Hoffnung
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