Madonna, ein Blonder!
auf Elisa gibt.
Dino hält im Putzen des Tresens inne. » Du kennst Mirco«, setzt er an. Ich nicke. Natürlich kenne ich Mirco, schließlich haben wir eine Weile ein Zimmer geteilt.
» Du weißt auch, wo Mirco arbeitet?« Dino schaut mich fragend an. Ich überlege. Mirco? » Irgendwas beim Fernsehen, glaube ich.«
» Ecco«, sagt Dino, und als ich nicht reagiere, fügt er hinzu: » Bei Rete 4.«
Stimmt. O Gott, bei dem berlusconieigenen Sender, der mir das alles eingebrockt hat. Oder der mich dabei filmte, wie ich mich selber in diese Situation gebracht habe.
» Als Mirco von Elisa hörte, was passiert ist, hat er das Material durchgeschaut, das von dem Beitrag über diese Veranstaltung in Reggio Calabria…« Dino schüttelt wie von Ekel erfasst seine rechte Hand aus. » Und da hat er gesehen, dass das alles gar nicht so schlimm war zwischen dir und diesem Mädchen…« Dino grinst vergnügt. » Ein bacio rubato, mehr nicht.«
Ein was?
» Diese ragazza hat sich von dir einen Kuss geklaut, sozusagen.«
Na ja, ganz so war’s vielleicht nicht, aber wir können es gerne so auslegen.
» Und Elisa?«
» Eeeeeeh!« Dino breitet die Arme aus. » Mirco hat ihr gesagt, dass alles ganz harmlos war, doch sie ist dir schon noch böse.« Und traurig sei sie, meint er, habe die letzten zwei Wochen ihre Augen immer hinter einer Sonnenbri lle ve rsteckt. Und nach einer Pause: » Sie vermisst dich.«
Ich fühle mich unglaublich erleichtert, schwebe zwar nicht auf Wolke sieben, aber immerhin nahe dran. Sagen wir Wolke sechs. Und Mirco! Wer hätte das gedacht, dass mein schnarchender Zimmergenosse, der zudem für Berlusconis Mediengruppe arbeitet, mein Leben, mein Glück retten würde!
Wirklich und endgültig gerettet ist allerdings bislang nichts. Und vor Francesco habe ich auch noch Angst. Und ich fürchte, berechtigterweise.
Dino langt über die Theke und kneift mir in die Wange. » Wenn du jetzt noch beim Madonnenlauf mitmachst, kannst du vielleicht die Wogen glätten und auch die Familie besänftigen.«
Meine Euphorie schwindet ein wenig– ich falle zurück auf Wolke fünf.
» Eeeeeeh! Auf dem Dorf weiß es jeder. Francesco hasst dich. Und Ermanno glaubt, Elisa habe mit dir ein für alle Mal abgeschlossen.«
Wolke drei, aber die Hoffnung bleibt.
» Was ist denn überhaupt dieser Madonnenlauf?«
» Später.«
Um Punkt 15 Uhr, zum verabredeten Zeitpunkt, stehe ich vor Dinos » Palazzo« und mache wie verabredet einen squillo – ich lasse es also einmal auf seinem Handy klingeln, nicht mehr. Einen Moment später erhalte ich zur Anwort von ihm einen squillo, den ich als » Komme gleich runter« interpretiere. Hoffentlich liege ich damit richtig. Wirklich verstehen werde ich diese komplizierte Art der Kommunikation, die nur auf Klingeltönen basiert, wohl nie.
Diesmal stimmt es zum Glück. Dino kommt tatsächlich aus dem Haus. Bevor wir losfahren, fragt er, ob ich alles dabeihabe, was er mir vorhin aufgetragen hat: » Joggingschuhe?«
» Ja!«
» Jogginganzug?«
» Ja-ha!«
» A posto.« In Ordnung.
Wir fahren los.
Dinos Auto ist ein Pick-up, dessen Stoßstangen anschaulich Zeugnis dafür ablegen, wie sportlich die Römer einzuparken pflegen und dass ihnen keine Parklücke zu klein ist. Um den Rückspiegel hängen drei Rosenkränze, zwei Paar Plüschwürfel, ein Plastikfernglas und eine kleine, plastikgerahmte Ansicht von Rom. Durch diesen Verhau den Verkehr zu beobachten oder sicher die Spur zu wechsel n, ist eigentlich unmöglich. Für Dino anscheinend nicht.
Während der Fahrt überlege ich, ob ich eigentlich das Richtige tue, aber es fällt mir nichts Besseres ein. Ich muss alles daransetzen, um Elisa zurückzuerobern. Habe ich denn eine Wahl, wenn ich nicht zulassen will, dass mein Leben in Scherben geht? Diese grande amore?
Was kann schon passieren? Entweder Elisa, ihr Schwiegervater oder Ermanno jagen mich sofort aus Angolorotondo, sobald sie mich sehen, von Francesco ganz zu schweigen, oder ich habe Glück, und die Familie verzeiht mir.
Als wir hinter Tivoli in den Bergen verschwinden, erzählt Dino endlich, was es mit dem Madonnenlauf auf sich hat und warum ich mitlaufen soll.
Am 24. Oktober 1581 lagerte ein Hirte in der Nähe der Marienkapelle oberhalb von Angolorotondo, als ein Blitz ins Dach einschlug und ein Feuer verursachte. Daraufhin rannte der junge Hirte in die brennende Kapelle, rettete trotz bereits einstürzenden Gebälks die Madonna aus einer Nische im Hochaltar, rannte hinaus–
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