Madonna, ein Blonder!
»Papagallo«. » Und? Hast du Bexter genommen?«
Kleinlaut schüttle ich den Kopf.
» Ecco!«, schimpft Dino. » Und deshalb trägst du noch einen Schal.« Er dreht sich um, nestelt an einer Schublade, nimmt einen Plastikbecher, füllt ihn mit Wasser und wirft eine Tablette hinein.
Ich sehe die Packung von Bexter.
» Bevi!«, sagt Dino. Ich soll trinken.
» Wirklich Dino, der Schal ist nur zur Vorsicht…« Ich zögere.
Dino wiederholt, diesmal lauter : » Bevi!«
Verschreckt trinke ich den Becher in einem Zug aus.
Zufrieden nickt er. » Heute Nachmittag wirst du ganz gesund sein.«
Wahrscheinlich eher wegen meiner Hausmittelchen als wegen Bexter bin ich tatsächlich wieder gesund, als Elisa an einem Samstagnachmittag in der ersten Novemberwoche von ihrer Reisegruppe zurückkommt. Normalerweise ist sie immer ganz müde und muss drei Tage schlafen nach einer Tour mit » Huber-Reisen«. Doch jetzt will sie einen Ausflug machen.
» Bei dem Wetter?« Es ist eiskalt. In Deutschland würde ich jetzt Bratäpfel machen.
» Ja, komm!«
Als ich hinter Elisa auf dem Moped sitze, ist mir schon kalt. Immerhin, es regnet nicht.
Wir fahren die Via Aurelia hinauf, am » Delizie Antiche« vorbei, die Via Olimpica entlang nach Norden, den Tiber hinauf. Elisas Fahrstil erinnert mich an den von Dino. Zwar bekreuzigt sich Elisa nicht bei jeder Kirche, an der wir vorbeifahren, aber sie redet und gestikuliert ununterbrochen. Mit der rechten Hand gibt sie Gas, mit der linken fuchtelt sie im Fahrtwind herum. Schließlich biegt sie auf einen Parkplatz auf der Westseite der Ponte Milvio ein.
» Eccoci«, sagt sie, und als sie ihren Helm abnimmt, fallen darunter ihre glänzenden schwarzen Haare voll und schwer hervor wie bei einer Shampoowerbung.
» Vieni!« Elisa nimmt mich bei der Hand. » Komm!«
Wir gehen auf die Ponte Milvio. Und über der Brücke und der ganzen Stadt wölbt sich ein wunderschöner blauer Winterhimmel.
Selbst der Tiber, der sonst, von Einfassungsmauern gedemütigt, eher grau und unbemerkt durch die Stadt schleicht, glitzert jetzt, als habe er sich zur Feier des Tages geschmückt und sieht in diesem Licht stolz und ehrwürdig aus.
Doch was ist das? Überall hängen Vorhängeschlösser! An den Mauerringen des Brückenkopfs, an den Laternen, am Brückengeländer. Hunderte, Tausende Vorhängeschlösser, manche von ihnen vom Rost angefressen, die neuesten jedoch messingfarben oder silbern glänzend. Auf den meisten ist mit rotem Filzstift ein Herz gemalt, im Vorbeigehen lese ich Namen über Namen: Carlo e Sabina, Giulia e Roberto, Stefano e Cristina, Matteo+Deborah, Giulio + Marta.
» Das ist die ponte degli innammorati «, sagt Elisa. Die Brücke der Verliebten. Auf der Mitte der Ponte Milvio bleiben wir stehen, Elisa holt eine kleine Plastiktüte hervor und daraus ein handtellergroßes silbernes Vorhängeschloss.
Darauf stehen unsere Namen und das heutige Datum.
Sie dreht den Schlüssel, das Schloss springt auf.
» Kitsch-e?« Sie lacht verlegen.
Ich kann gar nichts sagen. Ich bin zutiefst gerührt. Mal wieder.
» Wohin?«
Es gibt kaum noch Platz. An einer Eisenstange finden wir noch eine Lücke zwischen » Irene+Manuele« und » Gregorio e Caterina«. Mit einem Klick rastet das Schloss an einer Eisenstange ein.
Elisa zieht den Schlüssel ab und gibt mir den zweiten, den Ersatzschlüssel.
» Und jetzt?«, frage ich.
» Nell’aqua!«, ins Wasser!
Wir drehen uns mit dem Rücken zum Brückengeländer. » Bereit?«
Elisa zählt:
» Tre!«
» Due!«
» Uno!«
» Via!«
Die Schlüssel fliegen los, wir drehen uns um. Sie steigen erst hoch in den blauen Himmel und wenden sich dann nach unten, bis sie, immer schneller werdend, die Wasseroberfläche zerteilen. Das Wasser spritzt nur ganz wenig auf, fließt weiter – und die Schlüssel sind verschwunden.
Tutto bene. Tutto! Alles bestens
Am nächsten Tag, es ist Samstag, der 26. November, schlafen wir aus. Vor allem Elisa. Auch wenn sie sich gestern noch aufgerappelt hat, um die Vorhängeschlösser an die Ponte Milvio zu klicken, steckt ihr die Woche mit » H uber -Reisen« augenscheinlich ganz schön in den Knochen.
Als sie um 11 Uhr immer noch schläft, stehe ich vor ihr auf und mache einen ersten Kaffee. Denn Dino hat uns eine caffettiera von 1979 aus seiner Sammlung geschenkt: » Eeeeh, jetzt seid ihr fast eine famiglia « , meinte er, erläuterte uns ungefragt all die Vorzüge genau dieses Modells– » Sie ist noch wie neu«– und beschwor
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