Madonna
dass du weißt, dass ich Richard mein Leben anvertrauen würde. Und er mir seines auch.«
»Du willst ihm helfen.«
»Er ist irgendwie in diese Mordserie hineingeraten, ja. Er war dabei, als die Frau aufgeschlitzt wurde.«
»Könnte Zufall sein.« Rubius legte sich neben Jonas nieder. Mitdem Blick folgte er einer großen schwarzen Katze, die die Gasse überquerte.
Arnulf schüttelte den Kopf. »Er war in der ›Diele‹ wie Rotgerber. Und er wurde dort auch vergiftet. Jedenfalls scheint es so.«
»Niklas ein Panscher, der vergifteten Wein ausschenkt?« Jonas dachte einen Moment lang nach. Dann schüttelte er energisch den Kopf. »Niemals!«
»Das weißt du, und ich weiß es auch.« Arnulf schaute zu, wie die Katze über einen Zaun sprang. Dann setzte er seinen Weg fort. Jonas und der Hund schlossen sich ihm an.
»Niklas hat mich gebeten, herauszufinden, was es mit Rotgerbers Vergiftung auf sich hat. Irgendwas stimmt in der ›Krummen Diele‹ nicht, und ich glaube langsam, dass wir auch den Mörder haben, wenn wir herausfinden, was es ist.«
»Was, wenn Richards Zustand nur vom Blutverlust kommt und gar nicht von einer Vergiftung?« Jonas tippte sich gegen die Schulter. »Die Wunde sah übel aus.«
Sie wandten sich in Richtung Spittlertor und gingen nun nebeneinander her durch die Gassen der Stadt. Rubius folgte ihnen in einigen Schritt Abstand. Ab und an blieb er stehen, um an einer Ecke zu schnüffeln oder etwas aus dem Rinnstein zu fressen, von dem Arnulf lieber nicht wissen wollte, was es war.
»Schon. Aber Richard ist zäh. Er hat schon Schlimmeres erlebt.« Arnulfs Gedanken wanderten zurück zu früheren Zeiten, zu Szenen, die mit dunklem Wasser und darin treibenden Leichen zu tun hatten – und mit Schwanenflügeln in klaffenden Wunden. Er schüttelte den Kopf. »Nein! Da ist noch irgendwas anderes, und ich werde herausfinden, was es ist!«
Sie erreichten eine breitere Straße, die die Stadt von Norden nach Süden durchquerte und in deren Mitte ein gemauertes Rinnsal vor sich hinplätscherte. Von hier aus konnte man die große Bürgerkirche St. Lorenz sehen, die sich zwischen ihnen und der Pegnitz befand und deren Westwerk bis dicht an die Straße heranreichte. Der südliche der beiden hoch aufragenden Türme verdeckte den anderen, so dass es wirkte, als besäße die Kirche nur einen Turm.
Arnulf richtete seinen Blick auf dessen Spitze. Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt für diesen Tag bereits überschritten. Ihre Strahlenbrachen sich schräg an den rundherum angebrachten Giebelchen und warfen ihre Schatten auf die gegenüberliegende Häuserzeile.
Da fasste Arnulf einen Entschluss. Er wandte sich gen Norden.
»Komm mit!«, befahl er Jonas, und noch bevor der Junge nach seinem Hund pfeifen konnte, der gerade dazu ansetzte, ein paar Tauben von der Kante des Rinnsals fortzujagen, marschierte Arnulf schon los.
»Wohin gehen wir?« Jonas musste laufen, um zu ihm aufzuschließen.
»Ich stelle ein paar Leuten ein paar Fragen«, sagte Arnulf.
Wenn er herausfinden wollte, wer diese Morde begangen hatte, hatte er nicht besonders viele Möglichkeiten. Er konnte diesen Georg Öllinger befragen, von dem ihm Niklas erzählt hatte. Aber es war noch immer unwahrscheinlich, dass sich ein Mann wie er mit einem Nachtraben unterhalten würde, und der ursprüngliche Plan, nämlich Richard zu bitten, ihm Zugang zu Öllinger zu verschaffen, war für den Augenblick kaum durchführbar. Jedenfalls nicht, solange Richard sich in diesem Zustand befand.
Eben jedoch war ihm ein ganz anderer Gedanke gekommen. Wenn die Morde an Rotgerber und dieser Frau zusammenhingen, dann konnte er vielleicht auf diesem Weg zu Wissen gelangen, das ihm weiterhalf. Er rief sich ins Gedächtnis, was Donatus über diesen zweiten Mord erzählt hatte. Eine Marktfrau hatte ihre tote Freundin gefunden.
Diese Frau würde er also zunächst aufspüren.
Im Gerberviertel herrschte der Betrieb eines gewöhnlichen Sonnabendnachmittags. Hier scherte sich niemand besonders darum, dass man heute Morgen in einem der engen Hinterhöfe eine Leiche gefunden hatte. Die Leute hatten zu arbeiten, um ihre großen Familien zu ernähren. Für ein Innehalten oder gar Nachdenken über die eigene Vergänglichkeit war hier kein Platz.
Als Arnulf und Jonas in dem Hof ankamen, stieß Jonas ein angeekeltes Stöhnen aus.
Eine graugestromte Katze hockte mitten in der inzwischen getrockneten Blutlache. Sie bemerkte die beiden Menschen, die ihr Revier betreten hatten,
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