Madonna
Jahre so sehr gegiert hatte. Vor ein paar Tagen nämlich war er bei diesem Spindler im Narrenhäuslein gewesen. Er hatte lange mit ihm geredet und dabei erfahren, dass Burckhard, sein Bruder, gar keinen Selbstmord begangen hatte, wie er es die ganzen Jahre über geglaubt hatte. Dieses verkommene Weibsbild Mechthild hatte Burckhard getötet! Eine Zeitlang hatte er versucht, Zorn und Hass deswegen zu empfinden, aber es war ihm nicht gelungen. Mechthild war tot, und es zeugte von Gottes Sinn für Gerechtigkeit, dass ausgerechnet sie sich selbst gerichtet hatte. Sie befand sich nun dort, wo er all die Jahre Burckhard vermutet hatte: in den ewigen Feuern der Hölle! Burckhard jedoch – da er kein Selbstmörder war, saß er mit Sicherheit längst zu Füßen des Allmächtigen und schaute von dort herab.
Es war diese Vorstellung, die ein warmes Gefühl von Milde in ihm wachrief, und er wehrte sich dagegen. Er stopfte den Hexenhammer in seinen Beutel, schlang sich dann den Riemen über die Schulter und wandte sich zu Prior Claudius um. »Ich bin bereit«, sagte er.
Der Prior nickte grimmig. Er war froh, dass der ungebetene Gast sein Kloster verlassen würde, das war ihm deutlich anzusehen.
Heinrich Kramer vergrub jeden Anflug von Milde tief in sich. Dann verließ er seine Zelle.
Es gab noch jede Menge Hexen dort draußen.
Vor ihm lag ein langer Weg.
Nachwort
Dies ist schon das zweite meiner Bücher, in das sich Heinrich Kramer durch die Hintertür hineingedrängelt hat, und das, obwohl es Zeiten gab, in denen ich mir geschworen hatte, niemals Hexenbücher zu schreiben! Aber da der Mann offenbar hartnäckig ist, habe ich mich gefügt und ihm die verlangte Rolle in der Geschichte gegeben.
Hier noch einige Details zu seiner Person und, wie immer an dieser Stelle, die Offenlegung jener Details, bei denen ich »geschummelt« habe.
Burckhard Kramer ist eine Erfindung von mir! Man weiß zu wenig über Heinrich Kramer, um sicher sagen zu können, ob er einen Bruder hatte oder nicht.
Im E-Book-Prequel habe ich aus dramaturgischen Gründen mehrere Details aus verschiedenen Lebensjahren Kramers vermischt. Zu jener Zeit, von der in meinem Text die Rede ist, war er nicht wegen der Unterschlagung von Ablassgeldern in Rom (was schon 1482 der Fall war), sondern wegen der fälschlichen Erteilung eines Dispenses. Da ich hierüber jedoch keine näheren Informationen finden konnte, habe ich mich entschieden, stattdessen die Unterschlagung zu erwähnen.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Kramer 1493 in Nürnberg gewesen ist, und auch die Disputation mit dem Stadtrat, die er anstrebt, hat, soweit ich weiß, nie stattgefunden.
Alle weiteren Details jedoch, die ich über Kramer erwähne, den Nürnberger Hexenhammer eingeschlossen, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen dem derzeitigen Stand der Forschung entsprechend gestaltet.
Dass der Roman übrigens, sozusagen nebenbei, eine (natürlich rein fiktive) Erklärung für Heinrich Kramers Misogynie liefert, hat mir beim Schreiben Freude bereitet, noch mehr aber – ich gestehe es freimütig – die Tatsache, dass ich dem Verfasser des unsäglichen »MalleusMaleficarum« einige kleinere und größere Verwundungen beibringen konnte.
Die Figur des Tobias basiert auf verschiedenen Aussagen aktueller Missbrauchsopfer der katholischen Kirche, die ungefähr auf folgenden Tenor hinauslaufen: »Man kommt einfach nicht damit klar, dass es Priester sind, die einem das antun. Es ist schizophren: Man entkoppelt das. Der Priester und der Vergewaltiger, man kann einfach nicht damit umgehen, dass sie eine Person sind.«
Die Rezepte und Heilmethoden, die Katharina und die anderen Medici verwenden, habe ich, wie immer, in mittelalterlicher Literatur recherchiert. Es stimmt, dass Männer wie Marcellus Empiricus ekelhafte Ingredienzien wie Steinbockmist in ihren Rezepturen verwendet haben (es handelt sich hierbei um die sogenannte »Dreckapotheke«). Auch haben die im Roman vorkommenden Pilze wirklich eine giftige Wirkung im Zusammenhang mit dem Genuss von Alkohol. Bei zwei Dingen habe ich mir allerdings dichterische Freiheiten erlaubt: Zum einen heißen die Pilze nicht »Satanstintlinge«, wie Richard sie nennt, sondern schlicht und wenig aufregend »Faltentintlinge«. Auf dem Rasen vor meinem Haus wachsen sie im Sommer tatsächlich zu Dutzenden. Und zum Zweiten habe ich ihre Wirkung aus dramaturgischen Gründen sehr verstärkt – und ein bisschen ins Halluzinogene verschoben. Der pilzkundige Leser
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