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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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und fauchte Arnulf an. Er warf ihr einen langen Blick zu, doch sie ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern fuhr fort, an einem Erdbrocken herumzulecken.
    Katzen! Arnulf unterdrückte ein Schaudern.
    Ein Junge, der vielleicht fünf oder sechs Jahre alt war und keinen einzigen Zahn im Mund zu haben schien, drückte sich in einer der Ecken des Hofes herum. Immer wieder starrte er mit einer Mischung aus Ekel und Faszination auf die Blutlache, und Arnulf vermutete, dass er den Kitzel des Todes genoss. Auch als der Nachtrabe ihn zu sich winkte, wirkte er unerschrocken. Weder schien ihn die Tatsache zu beunruhigen, dass er mit einem Nachtraben sprach, noch die, dass sich in dessen Begleitung ein Hund befand, der ihm geradewegs in die Augen blicken konnte. Neugierig sah er zu Arnulf und Jonas auf.
    »Weißt du, wer die Frau gefunden hat, die heute Morgen hier gelegen hat?«, fragte Arnulf ihn.
    Er nickte ernsthaft. »Lisa«, verkündete er und reckte dabei seine Brust nach vorn, als sei er stolz auf sein Wissen. Er hatte schütteres Haar und wirkte nicht nur verwahrlost, sondern auch halbverhungert.
    »Lisa?«, hakte Arnulf nach. »Weißt du, wo sie wohnt?«
    Er zuckte mit den mageren Schultern. »Irgendwo draußen vor der Stadt, glaube ich.« Inzwischen war so etwas wie Hoffnung in seinem Blick erschienen, Hoffnung darauf, dass seine Auskünfte ihm vielleicht ein oder zwei kleinere Münzen einbringen würden.
    Arnulf griff nach seinem Geldbeutel, den er unter dem schwarzen Hemd so dicht wie möglich am Körper trug.
    Die Augen des Jungen begannen zu leuchten. »Sie ist eine Freundin von der Alten gewesen«, erklärte er. Arnulf vermutete, dass er mit der Alten die tote Marktfrau meinte. »Ist öfter hier gewesen, wenn sie früh auf dem Markt fertig waren.«
    »Kannst du dich an irgendwas erinnern, das mir hilft, sie zu finden?«
    Jetzt erwachte plötzlich Misstrauen in dem kleinen Kerl. Mit zusammengezogenen Brauen sah er Arnulf an. »Was wollt Ihr von der?« Sein Blick wanderte zu dem Dolch, den Arnulf am Gürtel trug, und schlagartig erschienen in seinen Augen all jene Gefühle, die Arnulf bisher vermisst hatte: Unbehagen, Nervosität. Angst. Plötzlich atmete der Junge schwer.
    »Ich will ihr nur ein paar Fragen stellen«, beruhigte Arnulf ihn. »Die tote Frau …«
    »Gertrud«, warf der Junge ein.
    »Gertrud«, wiederholte Arnulf. Es fühlte sich seltsam an, dass dieFrau nun einen Namen hatte. So erging es ihm öfter. Als Nachtrabe hatte er es ab und an mit Mord und Totschlag zu tun, und obwohl er selbst nicht zimperlich war, wenn es darum ging, sein Leben oder auch das seiner Leute im Spittlertorviertel zu verteidigen, empfand er es stets als einfacher, wenn die Opfer namenlos blieben. Er straffte die Schultern. »Also Gertrud. Gut. Ich möchte herausfinden, wer sie umgebracht hat.«
    Nun verschloss sich das Gesicht des Jungen endgültig. »Das glaubt Ihr doch selbst nicht!« Er pustete sich gegen die Stirn, und vorsorglich wich er einige Schritte zurück. Arnulf vermutete, dass er fürchtete, im nächsten Moment seinen Dolch zu schmecken zu bekommen.
    »Keine Angst!«, sagte er. »Es ist wirklich so.«
    »Ihr seht nicht aus wie jemand von hier!«
    Arnulf blickte an seiner schwarzen Kleidung hinab. Er hatte keine Ahnung, woher dieser Knirps die Sicherheit nahm. Er richtete den Blick auf die zerlumpte Hose des Jungen. »Bin ich auch nicht.«
    Der Junge nickte. »Klar.«
    »Also?«
    »Was also?«
    »Weißt du jetzt, wo ich diese Lisa finden kann?«
    Da drehte der Junge die Hand mit der Fläche nach oben. »Krieg ich was dafür?«
    Arnulf zog seinen Geldbeutel hervor. Er öffnete ihn und nahm einige kleinere Münzen heraus. »Wenn du etwas Brauchbares weißt.«
    Gier leuchtete in den trüben Augen des Kindes auf. »Ist ein kleines Dorf vor dem Spittlertor. Lisa verkauft Milch auf dem Markt, also müsst Ihr nach einem Mann suchen, der Kühe hat.«
    »Sie hat also einen Mann?«
    »Vinzent heißt er.« Der Junge schob sich jetzt langsam wieder näher. Sein Blick hing wie festgenagelt auf den Münzen in Arnulfs Hand.
    Der ließ sie in seine ausgestreckten Finger fallen. »Danke.«
    »Ihr seid ziemlich vertrauensselig!«, murmelte das Kind, steckte die Münzen jedoch so schnell fort, dass Arnulf der Bewegung mit den Blicken kaum folgen konnte.
    »Wieso?«
    Da grinste der Junge sein zahnloses Grinsen. Sein Zahnfleisch sah grindig aus. »Was, wenn ich Euch einfach irgendwas erzählt habe?«
    Arnulf lächelte sanft. Mit dem

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