Madonna
Weinbechers. Irgendwann, als die Stille im Raum zu lastend wurde, sagte er: »Soll ich den Rest auch noch erzählen?«
An Richards Brust gelehnt, nickte Katharina.
»Alles Weitere habe ich mir zusammengereimt, aber so ergibt es den meisten Sinn. Burckhard war der Bruder unseres Inquisitors, und sein Tod scheint mir der Grund für dessen Hass auf Frauen zu sein. Er muss Burckhard sehr geliebt haben.« Er schauderte. »Darum kam er her und wollte Rache nehmen.«
»Warum an Katharina und nicht an Mechthild?«
Arnulf schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Und selber fragen können wir ihn nicht.«
»Es ist gut.« Ganz leise war Katharinas Stimme. Sie richtete sich auf, strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Es ist jetzt genug.« Für den Rest ihres Lebens war es das. Genug von Mord und Tod, genug von Schuld und Angst. Genug von dieser kalten Stadt. Morgen würde sie das alles hinter sich lassen. Die Sonne der Toskana wartete bereits auf sie. Sie musste nur nach vorn schauen, dann würde vielleicht irgendwann alles gut werden. Besser, korrigierte sie sich, sie würde schon zufrieden sein, wenn es besser werden würde.
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Über Richards Gesicht glitt ein schmerzlicher Ausdruck. »Ich danke dir«, sagte er zu Arnulf.
Der erhob sich, stellte seinen Becher auf einem Tischchen ab. »Wann fahrt ihr?«
»Morgen früh. Um die dritte Stunde herum.«
Arnulf wandte sich der Tür zu. »Ich werde am Stadttor auf euch warten.« Er rückte sein Schwert zurecht, dann setzte er sich seinen Hut auf und ging.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Er ließ Stille zurück.
»Woran denkst du?«, fragte Katharina nach einer Weile.
Er schüttelte den Kopf, errötete leicht. »Das willst du nicht wissen.«
»Du wusstest, dass es ein langer Weg wird.«
»Ich bin nicht dein Vater.«
Sie hob ihm das Gesicht entgegen, sah ihm in die Augen. »Nein«, sagte sie schließlich. »Das bist du nicht.«
Ganz langsam, zögerlich näherten sich seine Lippen den ihren. Als sie sie berührten, lauschte Katharina auf den Schmerz in ihrem Leib. Sie vermochte nicht zu sagen, ob er von der Dolchwunde herrührte oder nicht. Sie schmiegte sich dichter an Richard heran, und er zog sie an sich.
Ein langer Weg lag vor ihnen.
Aber der erste Schritt war getan.
Epilog
»Bruder?«
Das Klopfen an seiner Zellentür übertönte fast die leise Stimme, die nach ihm rief. Heinrich Kramer blickte von seiner Lektüre auf und wandte den Kopf.
»Kommt herein!«, sagte er.
Ein Mann betrat seine karge Zelle. Es war Claudius von Kirchschlag, der Prior des Nürnberger Predigerklosters, ein hochgewachsener, drahtiger Kerl, dessen Haare an den Schläfen grau waren. In den Händen hielt er ein Schreiben, das er Heinrich jetzt reichte.
»Die Ordensleitung hat verfügt, dass Ihr nach Salzburg geschickt werdet!« Auf seinem Gesicht lag Missbilligung, und Heinrich unterdrückte ein Schmunzeln.
»Ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, warum man Euch wieder und wieder schützt, bei all den Vergehen und Missetaten, die Ihr Euch ständig zuschulden kommen lasst«, murmelte Prior Claudius.
Heinrich klappte sein Buch zu und legte in einer feierlichen Geste die Hand darauf. Die Dolchwunde, die dieser verrückte Spindler ihm beigebracht hatte, schmerzte noch immer, auch wenn der Bruder Infirmarius dieses Klosters bei seiner Heilung wahre Wunder vollbracht hatte. Im buchstäblich letzten Augenblick hatte er ihn ins Leben zurückgeholt. Zeigte diese Tatsache nicht deutlich, dass Gott noch einiges mit ihm vorhatte?
Er lächelte, als er auf sein Buch deutete. »Man hält dieses Werk vermutlich für wichtig genug, um seinen Verfasser zu schützen«, erwiderte er ruhig.
»Seinen Verfasser«, knurrte Prior Claudius. »Ihr solltet nicht von Euch in der dritten Person reden, das macht Euch noch arroganter.«
Kramer lächelte abermals in sich hinein. Dann nahm er den Beutel von seinem Bett. Er hatte geahnt, dass seine Abreise aus Nürnberg unmittelbar bevorstand, und darum hatte er bereits seine wenigenHabseligkeiten zusammengepackt. Jetzt nahm er das Buch. Sein Buch. Liebevoll strich er über den Einband.
Seine Mission hier war beendet. Zwar war es ihm nicht gelungen, Nürnberg dazu zu bringen, sich seinen Thesen zuzuwenden. Die Hexenprozesse, die er in dieser Stadt hatte abhalten wollen, würden niemals stattfinden, aber dafür hatte Gott ihn mit etwas beschenkt, das viel kostbarer war als die Rache an Katharina, nach der er all die
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