Madru
sie heranhüpfte. »Bisher haben die Wölfe ihm immer beigestanden«, meinte die Elster, »da konnte sich unsereiner zurückhalten.«
»Dabei sind wir seine Traumtiere«, sagte der Dachs schmollend, »und was er an den Wölfen hat, wird er noch sehen.«
»Nun hab dich nicht so«, schimpfte die Kröte, »das klingt ja als wärest du eifersüchtig.«
246 »Ach«, sagte der Dachs großspurig, »unsereiner ist jenseits von gut und böse. Aber mir haben sie auch nachgestellt, und es war nicht so leicht, meine Haut zu retten. Das muß doch einmal gesagt sein.«
»Schon gut«, beruhigte ihn die Kröte, »aber nun ist ja Friede im Großen Wald. Wir sind doch nicht hier, um uns gegenseitig etwas vorzujammern, sondern wegen des Jungen.«
»Jammern kann sehr wohltuend sein«, wandte der Dachs ein. »Ruhe«, gebot die Elster, »und bitte zur Sache. Der Junge hat es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, das Totenreich zu besuchen. Wir sollten uns darüber einig werden, ob wir ihm dabei helfen wollen oder nicht?«
»Er soll nur gehen«, sagte der Dachs immer noch etwas brummig. »Wie meinst du das?« fragte die Elster eindringlich. »Sei nicht so maulfaul. «
»Also, ich bin dafür, daß er seine Erfahrungen macht«, meinte der Dachs in blasiertem Tonfall.
»Dafür bin ich auch«, sagte die Kröte, »aber so ungefährlich ist das drüben nicht.«
»Und das Reich des Bösen liegt gleich um die Ecke!« flötete die Elster.
»Ich würde ihn auch noch nicht als voll und ganz erwachsen bezeichnen wollen«, brummte der Dachs.
»Als ob du es etwa wärest«, sagte die Kröte spitz. »Warum ist eigentlich Bruder Bär nicht da?«
»Bruder Bär könnt ihr vergessen. Er hat etwas gegen uns und gegen den Jungen. Seid froh, wenn er sich gar nicht erst blicken läßt. Also ich habe nichts dagegen, daß wir jetzt seinen Lebensbaum pflanzen. An was für eine Art habt ihr denn gedacht?«
»An einen Mammutbaum«, erklärte die Kröte, »sie werden sehr hoch und erreichen ein beträchtliches Alter.«
»Also dann«, sagte der Dachs, »alles klar … wie? Ich bin nämlich von Verwandten zu einer kleinen Bootspartie eingeladen ...« Er wollte sich rasch empfehlen.
»Hiergeblieben«, entschied die Kröte, »erst wird die Sache erledigt, drei müssen es schon sein, wenn es ein glückliches Leben werden soll.«
»Macht euch bitte klar«, sagte die Elster, »was es bedeutet, wenn wir uns in seinem Fall für einen Mammutbaum entscheiden. Madru wird solange leben wie dieser Baum lebt, und das heißt nie ewig, aber lange. So lange zu leben, ist nicht nur ein Spaß.« »Nun ja«, sagte die Kröte, »aber doch auch interessant.«
»Wenn niemand mehr das Wort wünscht, schreite ich zur Tat«, sagte die Elster, und sie ließ den Samen für den hohen Baum unmittelbar neben der Mauer auf den Boden fallen. Die Kröte murmelte ein kurzes Sprüchlein. Der Dachs sammelte kräftig Speichel und spuckte auf die Stelle.
»Dann bis demnächst wieder einmal, meine Damen«, sagte er und huschte davon.
Die Kröte und die Elster blieben noch ein paar Stunden, bis der kleine Baum kniehoch aus dem Boden aufgewachsen war. Kaum aber waren auch sie davon, da tappte der Bär herbei. Er ließ ein böses Brummen hören. »Ha ... Bruder Bär könnt ihr vergessen ... seid froh, daß er sich nicht blicken läßt«, er ahmte die Sprechweise des Dachses nach, »das könnte euch so passen. Auch ich bin sein Traumtier.« Und mit diesen Worten riß er das Bäumchen mit einer Behutsamkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, aus, trug es ein ganzes Stück weiter fort und setzte es dort wieder ein. Darauf nickte er zufrieden.
»Ein lebendiger Sterblicher und ins Totenreich«, sagte er zu sich selbst, »soweit käme es noch. Ja, er soll seine Erfahrungen machen. Aber er wird sich wundern, wohin er gelangt, wenn er durch die Tür in diesem Baum geht.«
Er knurrte zufrieden und trollte sich dann.
ACHTZEHNTES KAPITEL
An der Brücke des Bösen Geistes • Madru gewinnt drei Zauber
mittel, aber das vierte nicht • Alissas Verwandlungen
Vor den Herren der hohen Türme • Madru verliert Alissa abermals
Als Madru erwachte, sah er nicht weit von der Stelle, an der er o sich schlafen gelegt hatte, einen sehr hohen Baum mit einem Stamm stehen, den fünf Männer mit ausgestreckten Armen nicht hätten umspannen können. Der Baum wuchs höher auf als die Große Mauer, und seine weitgespannten Äste sahen aus wie die Dächer von grünen Schirmen. Madru trat ganz nahe an den
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