Madru
Davon aber schien Ase nichts mehr zu wissen. Aber er war erfreut, davon zu hören und ermunterte Madru ausdrücklich, mehr und mehr davon zu erzählen, es schien ihn glücklich zu machen. Plötzlich aber verfinsterten sich die beiden Monde. Ein Donnerschlag war zu hören und Ase sagte: »Sie haben es mitangehört und wir werden bestraft.«
Es war ein Donner, dem kein Blitz vorangegangen war. Nach dem Donner aber war es Madru, als sei eine Fuhre Feldsteine auf seiner Brust ausgeschüttet worden. Das drückte und preßte, und er redete nicht mehr von alten Zeiten zu Ase.
In der Dunkelheit wurde ein Feuerschein sichtbar. Von fern sah es so aus, als ob Feuer einen Berghang hinabrinne. Madru kam es vor, als seien jetzt auch mehr Aschenflocken in der Luft. Er mußte häufig husten. Die Luft wurde immer heißer. Sie gingen auf die Feuerwelle zu.
»Können wir hier weiter?« fragte Madru ängstlich.
»Wir müssen …«, sagte Ase, »wir wollen uns von diesem Feuer holen.«
Bald war da nichts mehr als ein Abhang aus schwarzem Gestein, über den das Feuer herablief. Madru wollte kehrtmachen, aber Ase hielt ihn am Arm fest: »Hiergeblieben!«
Die glühende Lava floß um sie herum, rann weiter. Bald standet sie in einem Feuermeer, und die Stelle, auf die sie ihre Füße gesetzt hatten, war die einzige Insel. Ase griff in die Tasche und holte eine kleine Dose heraus, reichte sie Madru und hieß ihn, sie m glühender Lava zu füllen. »Es ist wichtig. Du wirst es brauchen. Nur Mut.«
Madru fuhr mit den Fingern in die Lava, schöpfte etwas von der feurigen Masse in die Dose, und zu seiner Verwunderung spürte er keinen Schmerz dabei.
Ase hatte unterdessen seine Fiedel aus der Lederhülle geholt und begann, eine Melodie zu spielen, und je länger er spielte, desto rascher wich die Feuerflut zurück, bis Madru sie endlich wieder den Abhang hinauflaufen sah.
Am nächsten Morgen gingen zwei Sonnen auf, und es wurde unerträglich heiß. Madrus Vermutung, daß es in diesem Land keine Bäume und Blumen gäbe, bestätigte sich. Sie wanderten jetzt durch eine Steinwüste, und es kam Madru vor, als liege da der Schädel einer Katze, eine verbeulte Uhr, der nackte Körper einer Frau, als gäbe es Tore, Türme und Häuser, aber wenn man genau hinsah, waren es nur Steine unterschiedlicher Größe, auf die die Strahlen der beiden Sonnen hinbrannten.
Schon lange trug der Wind ein leises gläsernes Klirren heran. Der Luftzug war heiß und voller Asche. Das Klirren wurde immer lauter und heftiger. Endlich sahen sie einen gläsernen Baum, an dem viele kleine Flaschen hingen, und wenn der Wind die gläsernen Zweige berührte, gab es dieses klirrend-klingelnde Geräusch. Der Glasbaum aber stand am Rand einer Senke, in der sich ein Wasserloch befand. Madru wollte hinlaufen und seinen Durst stillen. Im letzten Augenblick, ehe er sich niederbeugte, hielt er inne. Um das Wasserloch ringelte sich ein schuppiger Wurm. Der Wurm riß das Maul auf und Madru starrte in einen Rachen gelblicher Zähne. Sogleich war Ase neben ihm, zog seinen schwarzen Stab aus dem Gürtel und streckte ihn gegen den Wurm aus. I )er kroch gemächlich in die Steinwüste hin davon. Madru atmete auf und wollte trinken, aber Ase hielt ihn zurück: »Dieses Naß ist nicht für unsereinen,« sagte er, »es würde auch deinen Durst nicht stillen. Mit ihm kann man Gewitter erregen und ganze Sintfluten von Regen niedergehen lassen. Fülle eine von den kleinen Flaschen, die dort am Baum hängen und nimm sie mit.«
Madru tat, wie ihm geheißen. Der Durst und die Hitze schienen ihm jetzt fast unerträglich.
»Vorwärts«, sagte Ase, als er die kleine Flasche voll Wasser im Ledersack hei seiner Fiedel verwahrt hatte, »wir müssen noch weit. Erinnere dich daran, daß Alissa auf dich wartet.«
Sie zogen weiter durch das Land mit den weißen Steinen, die wie gebleichte Knochen aussahen und kamen an einen Paß. Auf den Abhängen eines Hohlwegs saßen Vögel, große und kleine, dicht an dicht. Sie hockten auch auf dem Weg. Aber sie waren ganz still. Keiner gab einen Laut von sich. Wie die Menschen, hatten auch sie lederne Masken über ihren Gesichtern.
Ase holte einen kleinen Lederbeutel, gab ihn Madru und ließ ihn diesen hoch über seinen Kopf halten. Dann ging Ase ruhig auf die Vögel zu, die vor ihm auf dem Weg hockten, und streckte ihnen seine rechte Hand entgegen, an dessen Mittelfinger ein großer grüner Ring saß, in dessen Stein das Bild eines Falken eingeschnitten war. Da
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