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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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betrat.
    Madru fiedelte Polskas auf den Tanzvergnügen und dachte nicht daran, seine eifernden Reden gegen jene zu unterlassen, die den Großen Wald abholzten. Die Nachfrage nach Holz stieg tagtäglich. Grubenholz für Exporte nach Deutschland und England, Holz für Furniere, Holz für Zündhölzer und Zündholzschachteln. Eine neue Welt schien da in der Ferne zu entstehen, zusammengefügt aus dem Holz, das man dem Großen Wald raubte, aber der schien unerschöpflich.
    Hier und da lagen Äcker und Wiesen mitten im Wald, die die Menschen, mehr schlecht als recht, ernährten. Straßen zogen sich durch jenes Gebiet, in dem einst die Kronen des Bannwaldes wie die Wellen eines grünen Meeres gewogt hatten. Die eine Straße führte nach Norden, war gut ausgebaut bis Hennan, die zweite nach Nordwesten endete bei der Kleinstadt Karböle, die dritte gegen Südwesten war bis Los geführt worden. Wege gab es viele. Unvorstellbar war das undurchdringliche Dickicht auf dem Boden des Bannwaldes von damals.
    Dennoch lebten hier und da Erinnerungen daran fort. »Der Wald ist heilig.« »Der Wald wird sich an denen rächen, die ihn vernichten.« Manchmal fielen solche Sätze in den Hütten der Waldbauern, wenn sie die Blüten des Fingerhuts gekaut hatten. Die so sprachen, beriefen sich nicht selten auf den Fiedler Madru. »Er hat Wissen«, hieß es. »Er vermag etwas.«
    Bei den Zusammenkünften im Gildehaus besprachen die Kaufleute den Eisenbahnbau. Die Strecke sollte über Järvsö nach Ljusdal und von dort nach Hennan führen. Vielleicht auch noch eint. Stichbahn nach Glada Hudik. Aber vielleicht auch nicht. Viel leicht mußten die Reeder dort von ihrem hohen Roß herunter, wenn die Stichbahn nicht gebaut wurde. Man rechnete noch. Madru redete weiterhin für den Großen Wald. Wie er zerstückelte werde. Wie sie um ihn wie um das Kleid eines Königs würfelten. Er nannte den Profit eine Krankheit, an der alle Menschlichkeit verrecke. Dieses Wort hörte die Rote Jule, und sie begann, sich für diesen Menschen zu interessieren. Viele schüttelten über solche Worte auch den Kopf. Sie hätten nichts dagegen gehabt, etwas von den Profiten der Holzkaufleute und Sägereibesitzer in ihren Taschen klimpern zu hören. »Wie kann er sagen, daß das krank macht«, meinte einer, »ich würde prächtig aufblühen. Und einmal in jeder Woche würden wir Fleisch essen.« Die Holzarbeiter waren mausearm. Es gab Zyniker, die erklärten: »Warum überhaupt noch arbeiten? Am Ende verhungern wir so oder so.« Es gab Leute, die schlossen sich in ihre Hütte ein, kippten zwei Flaschen Fusel in sich und zündeten dann ihre Hütte an.
    Da war ein Mann gewesen, der hatte versucht, eine Gewerkschaft der Holzarbeiter in der Provinz Norrland zu organisieren. Er war häufig verprügelt und verjagt worden, aber kleine geheime Grüppchen hatte er einzuschwören gewußt, und ein Netz von Kontakten zwischen diesen Grüppchen hatte er geknüpft. Dieser Mann - im Volk hatte er keinen Namen, hieß nur der Agitator -hatte in den sechs Jahren, in denen er sich in der Gegend um Ljusdal aufgehalten und überlebt hatte, Liebschaften mit mehreren Frauen gehabt und von zwei verschiedenen Frauen hatte er einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hatte den Namen Björn erhalten. Das Mädchen hatte die Mutter in einem Anfall von Romantik Julia genannt. Das Kind war in kein Taufbuch eingetragen worden und später riefen es alle Jule und noch später, weil es rote Haare hatte und den Kommunismus predigte, nannten sie sie die Rote Jule. Der Vater war bei einem schaurigen Unfall ums Leben gekommen. Auf einer Holzrutsche waren plötzlich Stämme herab-geschossen, zwei-, dreihundert, ohne Pause. Sie hatten ihn von einem Weg ins Wasser gestoßen. Erst hatten ihm die Geschosse von Stämmen den Schädel eingeschlagen. Dann war der schon tote Mann unter Wasser gedrückt worden. Die Leiche fand man erst im Frühjahr darauf, und viele waren es nicht, die den Agitator vermißten. Aber die aus dem geheimen Netz hingen ihm weiter an. Diesen Leuten hätte man androhen können, ihnen glühendes Blei in die Ohren zu gießen, sie hätten bloß düster gelacht und gesagt: nur zu.
    Die beiden Kinder des toten Mannes erwiesen sich als aufsässige Geschöpfe, mager, aber widerstandsfähig. Sie hatten schon bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr beide fünf Jahre im Arbeitshaus verbracht, wo es, wie die Rede geht, immer mehr Prügel gibt als dünne Suppe. Mehrmals waren sie fortgelaufen, bis nach Ljusdal und

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