Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
Vom Netzwerk:
auch? Es gab doch genug. Unvorstellbar gerade hier, daß es einmal gar keines mehr geben sollte. Und letztlich lebten alle in Norrland vom Wald. Die Holzkaufleute und die Sägewerksbesitzer lebten wie die Maden im Speck. Die Waldbauern und Holzfäller vegetierten mehr als daß sie lebten. Es wäre ihnen noch schlechter gegangen, wenn sie nicht dies und jenes aus dem Wald geholt, eine Parzelle losgeschlagen, ihre Arbeitskraft dafür verkauft hätten, dem Wald sein Holz zu rauben.
    Als den Sägewerksbesitzern und den Holzkaufleuten hinterbracht wurde, was Madru predigte, wurden sie unruhig. Die Frage wurde unter ihnen laut, ob man nicht gegen ihn wegen Geschäftsschädigung vorgehen könne. Die Holzkaufleute luden einen Richter, einen Bischof und die Kommandanten der Gendarmerieposten zu sich und berieten mit ihnen. Das Ergebnis war: Laßt ihn reden. Wer hört schon auf ihn? Das erledigt sich von selbst.
    Herr Sunderman war der reichste und einflußreichste Geschäftsmann in ganz Norrland. Sunderman lud Madru zu sich und fragte ihn gerade heraus, was er verlange, damit er solche Reden einstelle. Madru erwiderte, seine Überzeugung sei ihm nicht feil. »So, so«, sagte Herr Sunderman interessiert, »Ihr habt also eine Überzeugung. Erklärt sie mir, vielleicht könnt Ihr auch mich überzeugen.«
    Madru erzählte, daß das Vorbild zu jeglicher Schönheit sich in der Natur finde und in ihr vor allem bei den Bäumen. Er erzählte von den Wesen, die in den verschiedenen Bäumen wohnen, von dem Wissen, das sie dem mitteilen, den sie nicht fürchten müssen. Herr Sunderman fand das alles sehr poetisch und fragte, ob Madru nicht in seine Dienste treten wolle, als Fiedler und als Holzschätzer, denn er hatte auch gehört, daß Madru jede Einzelheit über die verschiedenen Gattungen der Bäume wisse und durch die Rinde hindurch einem Baum ansehen könne, ob er gesundes oder krankes Holz habe. Herr Sunderman nannte eine Zahl in neuen Reichstalern, die er monatlich Madru zu zahlen bereit sei. Höflich lehnte Madru ab und ging fort.
    Herr Sunderman war nach dem Gespräch mißmutig. Er gehörte zu den Menschen, die bisher in ihrem Leben die Erfahrung gemacht hatten, daß sich mit Geld alles kaufen lasse.
    Sunderman war ein Mann um die fünfzig, korpulent, trug immer schwarze oder blaue Anzüge aus feinem englischen Tuch und Hemden mit hochgestellten Kragen, die sein Kinn einrahmten. Er hatte eisgraues, kurzgeschnittenes Haar, aber einen üppigen Bakkenbart, war Witwer und ging auf Freiersfüßen. Herr Sunderman trank gern Rotspon und hatte einen massigen, hochroten Kopf, so als werde ihn in Kürze der Schlag rühren, doch hatte er sich vor-genommen, mindestens hundert Jahre alt zu werden. An der goldenen Uhrkette, die sich über seinem kolossalen Bauch spannte, hingen drei in Gold gefaßte Wolfszähne ... aus dem Gebiß des letzten Tiers, das in dieser Gegend vor drei Jahren geschossen worden war.
    Aus seinen beiden Ehen waren keine Kinder hervorgegangen. Herr Sunderman war entschlossen, noch einen Erben zu zeugen. Sunderman sei der ungekrönte König von Norrland, sagten die Leute. Ihm gehörten zwei Sägewerke in Ljusdal und an mehreren anderen Betrieben in kleineren Orten war er beteiligt. Herr Sunderman ließ Waldstücke zwischen Fineby und Enskogen aufkaufen. Es gab viele kleine Eigner. Manche wollten es ganz besonders schlau anstellen. Sie warteten noch zu, um den Preis in die Höhe zu treiben. Sie wußten wohl, daß in dieser Gegend ein großer Einschlag geplant war, aber sie stellten sich einfach taub. Ganz zufällig begegneten einem dieser Störrischen drei oder vier angetrunkene Burschen. Die »Schweinehunde«, wie man sie später zu nennen pflegte, stammten, nach ihrer Sprache zu urteilen, nicht aus der näheren Umgebung. Der verkaufsunwillige Waldbesitzer wurde zusammengeschlagen. Danach beeilte er sich, zu verkaufen. Die Nachforschungen der Gendarmerie über die Rowdies verliefen erfolglos.
    Madru lebte sparsam, allein von dem, was er als Musikant verdiente, und das war nicht viel. Aber zu fiedeln: das machte ihm Freude. Außerdem besaß er noch einen Beutel mit fünfzig alten Reichstalern, die mehr wert waren als die neuen, weil sie aus fast reinem Gold geprägt worden waren. Den Beutel hatte er zusammen mit dem Bilderspiel, der Wolfspfote, dem Halstuch aus Herbstlaub, einem Bronzemesser, der Fiedel und der Grundbucheintragung über das Anwesen auf dem Küchentisch gefunden, als er das Haus am Ängratörn

Weitere Kostenlose Bücher