Madru
werde die Unruhe, die er in sich verpürte, beruhigen. Aber sogleich wurde er an das Traumbild vom Mond in der letzten Nacht erinnert, und es grauste ihm bei dem Gedanken, demnächst könne das Gestirn sich auftun und der Zug seiner Opfer werde abermals auf ihn zu marschieren. Er sah zu Boden und versuchte, an etwas Angenehmes zu denken. Es kam aber nur jene Empfindung in ihm auf, die die Berührung der weichen Felle mit den Fingerspitzen am vorigen Tag in ihm ausgelöst hatte. Doch auch diese Erinnerung erfüllte ihn mit Furcht, weil er gleich wieder darüber ins Grübeln geriet, wie die Felle wohl verschwunden sein mochten. Das Geräusch von Schritten hinter seinem Rücken ließ ihn hastig herumfahren. Es war der Sergeant mit der Mehrzahl der Soldaten.
»Laßt drei oder vier vor Euch in den Baum einsteigen und klettert dann auch hinauf«, hörte Jessach ihn sagen. Er war bereit, dem Sergeanten blind zu vertrauen. Wie töricht, sich vorzunehmen, die Nacht in der Sänfte nahe dem Wasser zu verbringen. Aber wie würde es dort oben aussehen? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß es da in der Höhe einen Weg geben sollte.
Der Sergeant und nach ihm drei Soldaten stiegen geschickt in den Baum ein. Dann kam die Reihe an Jessach. Sein schwerer Panzer war ihm lästig, als er sich zum ersten Trittast hinaufmühte. Am liebsten hätte er ihn ausgezogen und hinabgeworfen. Ab dem dritten oder vierten Trittast ging es schon leichter voran. Es blieb ihm wenig Zeit, seiner Furcht weiter Beachtung zu schenken, denn hinter ihm kamen weitere Soldaten, und er war fest entschlossen, beim Aufstieg keine schlechte Figur zu machen. Es war jetzt tatsächlich so, als steige man eine Leiter aufwärts. Er war bereit zuzugeben, daß die Waldmenschen sich da etwas ausgedacht hatten, das an Einfachheit und Zweckmäßigkeit seinesgleichen suchte.
Immer noch war das Ende des Steigbaumes nicht abzusehen. Einmal schaute er, sich mit der Hand sichernd, seitwärts. Er lehnte glich weit über, erkannte tief unten das Feuer auf dem Strand, das inzwischen von den unten zurückgebliebenen Soldaten zum Fischebraten angezündet worden war. Darauf kletterte er beruhigt weiter.
Plötzlich hörte er ein trockenes, splitterndes Geräusch über sich. I. r meinte, wieder zu träumen. Der Mann über ihm stieß einen gellenden Schrei aus, sackte in sich zusammen, stürzte und streifte ihn im Fallen. Jessach verlor das Gleichgewicht. Von überall her hörte er Schreie und die Geräusche brechender Äste. Wieder sauste etwas seitwärts an ihm vorbei, das schneller fiel als er. Ein Ast peitschte ihm quer übers Gesicht, zerriß ihm die Haut. Jessach schrie, blieb in Ästen hängen, den Kopf nach unten, um sich geheimnisvoll raschelnde Blätter. So starrte er abwärts, während ihm das Blut die Augäpfel aus dem Kopf zu pressen schien.
Seine Finger suchten unsicher in dem knisternden Gestrüpp unter sich. Da war kein Halt. Auf dem Kopf stehend, blickte er auf das Feuer hin, an dem sich Unglaubliches zutrug. Schilfbündel hatten sich von hinten auf die Kettenhemden gestürzt, die dort standen. Sie bogen die Soldaten, denen stöhnendes Schreien entfuhr, vornüber in die Glut des Feuers, bis sie erstickt waren.
Über ihm und unter ihm – vielleicht auch neben ihm, genau ließ sich das schwer ausmachen, erschienen Menschen (oder waren es Menschen und Tiere?) in einen wütenden Kampf verbissen. Auf all das grinste gelassen der fettrunde weiße Mond.
Jetzt kam Jessach mit seinen strampelnden Beinen frei. Äste schrammten über seine Wange, während er weiter hinabstürzte. Feuer zuckte über seine Augen hin. Er wußte nicht, war es ein Blitz oder ein brennender Ast. Dann kam der Aufschlag, nach dem er betäubt liegenblieb. Aber sofort hagelte es Schläge. Jemand hieb mit einer Steinaxt auf seinen Kopf ein. Dann rann ein spitzer Schmerz durch seinen Rücken, zerstückelte seine Gedanken. Seine Seele entwich aus einem Körper, dessen Haut stinkend verschmorte – ein Leuchtfaden, einem Glühwürmchen ähnlich, rieb sie sich auf dem körnigen Sand, fuhr in das schwarze Wasser des Sees und wurde von einer Kröte verschluckt, der es im Maul brannte davon und die sie sofort wieder ausspie.
Esnir, einer der Söhne des Zaubertrommlers Nogal, die den Hinterhalt an dem Baum der Trittäste gelegt hatten, stand vor dem Feuer und sah auf die vier Kettenhemden hin, die von seinen mit Schilfbündeln getarnten Männern, Kopf voran in die Glut gepreßt worden waren.
»Wieviel
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