Madru
Küchensklaven.
Jarl Aldur hatte beim Empfang des fremden Skalden, der zusammen mit einem jungen Mann und zwei älteren Männern gekommen war, an honigsüßen Worten des Dankes nicht gespart. Er hatte gerühmt, welch gefälligen und aufmerksamen Nachbarn er doch habe, daß dieser sich seines Skalden für ein paar Tage entäußerte, nur damit sein Waffengenosse und dessen Hausstand durch die kurzweiligen Erzählungen dieses Mannes unterhalten und aufgemuntert würden in den Tagen, da die Dunkelheit besonders drückend auf der Welt laste und alle Menschen grämlich stimme. So oder ähnlich hatten seine Begrüßungsworte auf der Schwelle gelautet. Für Madru, der sie etwas entfernt stehend mit anhörte, war es beschlossene Sache gewesen, daß auch er an dieser Wohltat teilhaben werde, freilich im Verborgenen, hinter dem großen Wandteppich mit den beiden Greifen. Als er aber in der zweiten Erzählnacht - so eine rechte Skaldengeschichte lief über sieben Nächte, und hier wurde die allseits beliebte Geschichte vom Schwarzen Dieb zu Gehör gebracht - nach der üblichen Kletterpartie, bei der es ohne Schrammen an Knien und Händen nicht abgegangen war, sich auf der Galerie an seinen Platz stehlen wollte, fand er diesen schon besetzt. Das Erstaunen war beiderseitig. Dort stand nämlich Eigar, die hübsche siebzehnjährige Tochter seines Trainers Thorvalt, ein dunkelhaariges Mädchen, die etwa einen Kopf größer war als der blonde Junge, der da am Abend unter den Vorhang tauchte, während unten die Gespräche der Erwachsenen noch summten und die Kienspäne blakten. Was sie denn hier zu suchen habe, fragte er wütend, meinte er doch auf diesen Platz ein Gewohnheitsrecht geltend machen zu können. Das frage sie ihn, gab sie zurück, ob er nicht wisse, was einem Sklavenbengel blühe, wenn man ihn hier erwische?
»Psst, nicht so laut«, sagte er und wagte es, ihr seine Hand auf den Mund zu legen, um zu verhindern, daß sie beide entdeckt würden. Eigar schüttelte sie mit einer unwilligen Kopfbewegung ab, sagte aber nun für eine Weile nichts mehr.
»Nun verschwinde schon«, drängte er sie dann.
»Warum ich … warum nicht du?«
»Dies sind Männergeschichten, die Frauen nichts angehen«, flüsterte er großspurig.
»Männergeschichten, die Sklaven nichts angehen, meinst du wohl!«
Sie blieb.
Es war ihm nicht recht, daß dieses Mädchen neben ihm stand, aber so unrecht war es ihm auch nicht. Es verschärfte jenen Kitzel des Verbotenen, denn ertappte man sie hier beide, dann war das ein Vergehen, das noch ganz anders bestraft wurde als nur mit Stockschlägen, bei denen er, um sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, nur die Zähne fest auf die Unterlippe pressen mußte. Wie sie nur darauf gekommen sei, sich hierherzustehlen, wunderte er sich.
Sie ließ ein unterdrücktes Lachen hören und sagte dann: »Ich habe dich beobachtet.«
»Du hast … was?«
»Ich sah einmal, wie du auf den Baum klettertest, spät am Abend.« Schweigen. Er mußte mit diesem Sich-in-seine-Geheimnisse-Stehlen erst fertig werden. Es war ein Zufall gewesen, aber der Wunsch, ihm ihre Überlegenheit zu beweisen, um nicht doch noch von ihm vertrieben zu werden, ließ sie zischeln: »Ich weiß mehr über dich als du denkst.«
War es zu fassen! Es war ihm, als stehe er bis auf die Seele nackt vor ihr. Nur gut, daß es unter dem Gewebe dunkel war und sie unmöglich bemerken konnte, wie er errötete, trotz seiner Winterbleiche. Er bedachte all jene kleinen Geheimnisse, die er vor anderen hatte und sann darüber nach, wie sie es fertiggebracht haben mochte, ihn unbemerkt zu beobachten.
»Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte er voller Verächtlichkeit, worauf neben ihm wieder ein leises Lachen zu hören war, das ihn reizte, einen Ringkampf mit ihr anzufangen. Aber ach, sie war ja ein Mädchen! Und selbst wenn er gewisse sanftere Umgangsformen mit dem anderen Geschlecht, wie sie ihm in seiner Erziehung wohl nahegelegt worden waren, zu mißachten bereit gewesen wäre, unter dem Teppich war an ein solches Gerangel nicht zu denken. Nervös rieb Madru mit seinen Handflächen über seine Hosenbeine. Gleich darauf drang das dreimalige Aufstampfen des Stabes zu ihm herauf, das anzeigte, daß nun der Skalde sogleich zu erzählen beginnen werde. Über den Worten der Geschichte vergaß Madru für eine Weile selbst das Mädchen neben sich.
Nur dieser Duft blieb, ein Duft, der an den anderen Abenden nicht dagewesen war. Da hatte es nur nach Staub und
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