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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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ging oder bei Arbeiten in der Küche half.
    Die Aufträge, die er auszuführen hatte, erfuhr er schon jeweils am Abend zuvor, und es gab beliebte, unbeliebte und scheußliche Arbeiten. Zu den scheußlichen gehörte beispielsweise, alle Nachttöpfe der Herrschaften auf einem Sickerfeld zu entleeren und sie dann zu putzen. Beliebt, zumindest bei Madru, war der Fischfang, weil man dabei, wenn man sich aufs Angeln verstand, auch einmal dösen und träumen konnte … auch Bälgetreten in der Schmiede tat er gern, weil Kultan, der Schmied, ein Mann war, der von weit aus dem Osten stammte und mancherlei Wunderdinge über sein Heimatland und die Länder zwischen dort und hier zu erzählen wußte.
    Seit im vorletzten Winter der alte Skalde gestorben war und der Jarl es nicht für nötig befunden hatte, einen neuen in Kost und Logis zu nehmen, fehlte Madru etwas. Zwar war Orna, seine Mutter, unter den Sklavinnen und Sklaven als gute Geschichtenerzählerin bekannt, aber sie erzählte, wenn er sie darum bat, eben nur Sklavengeschichten, kurze Anekdoten, mit einer dick unterstrichenen Moral. Madru hingegen war an Sagas und wilden Zaubermärchen gelegen, in denen eine Gesa den Helden zu schwer erfüllbaren Aufgaben in einem Land hinter dem Horizont verpflichtete, die dieser Wunderkerl dann doch jedes Mal noch löste, sei es durch die Unterstützung treuer Tiere oder durch den Einsatz von Zauberei.
    Als Sklavenjunge war Madru zu den Erzählnächten in der großen I lalle nicht zugelassen. Solche Vergnügungen waren nur für die Söhne des Adels und der Freisassen bestimmt. Aber er hatte es einzurichten gewußt, dennoch dabei zu sein - heimlich.
    In der großen Halle auf der Galerie hing ein riesiger Teppich, das Wappen des Jarl, zwei schwarze Greifen, abbildend. Das Gewebe war schon etwas fadenscheinig geworden. Auf die Galerie hinauf und hinter das Abbild der beiden Raubvögel gelangte Madru mit einer nicht ungefährlichen Kletterpartie über einen hohen Eichbaum und durch eine Dachluke. Das war allemal ein gewagtes Unternehmen, nicht nur wegen der verbotenen Wege durch die Nacht - es war Sklaven untersagt, sich nach der zehnten Stunde im Freien aufzuhalten -, mehr noch wegen des Risikos, in der Balle selbst oder auf dem angrenzenden Flur entdeckt zu werden. Nie hatte Madru, was seine nächtlichen Ausflüge anging, seine Mutter ins Vertrauen gezogen, wenngleich sie, durch die Geschichten, die er am Tag danach voller Begeisterung nacherzählte, wohl ahnen mochte, was er da trieb. Aber sie fragte nie weiter nach. Manchmal schien sie zu schmunzeln, und was sie nicht ausdrücklich mißbilligte, mochte wohl als geduldet hingehen.
    In Madrus Augen war seine Mutter die beste Frau der Welt. Geborgenheit und Wärme gingen von ihr aus. Sie konnte sich nie zu Unterwürfigkeit verstehen, womit die anderen Sklavinnen ihr Los zu erleichtern suchten. Sie kam ihm außerordentlich gerecht vor. Er bewunderte ihren Stolz und ihre Unabhängigkeit. Mit ihm war sie streng, ließ ihm nichts durchgehen. Madru liebte den Geruch ihrer Haut wie den Geschmack ihrer Kuchen. Er wäre bereit gewesen, sich für sie in Stücke reißen zu lassen, und er konnte sich nicht vorstellen, je von ihr getrennt zu werden. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr hatte er auf einem Lager in der Sklavenhütte neben ihr geschlafen. Als es dann geheißen hatte, er sei nun zu alt hierfür und müsse in den Saal der jungen Burschen überwechseln, wo zunächst jeder Neue allerlei grausamen Mutproben unterworfen wurde, hatte er lange geweint … heimlich, wohlverborgen in jenem riesigen Dickicht, in dem er einmal sogar auf einen Luchs gestoßen war. Es lag einen Steinwurf weit vom Gehöft entfernt. Es sollte immer wieder einmal niedergebrannt werden, aber da sich in unmittelbarer Nähe ein Erlenwäldchen befand, unterblieb dies, weil man fürchtete, die Flammen könnten auch die heiligen Bäume beschädigen.
    Nun war vor geraumer Zeit etwas geschehen, was Madru immer noch stark beschäftigte. Nach den Zwölf Nächten, schon gegen das Frühjahr hin, hatte der Nachbar des Jarl seinen Märchenerzähler herübergeschickt. Es war dies eine artige Geste, wie sie einem ritterlichen Herrn gut anstand, aber die Artigkeit war gewiß auch nicht ganz ohne boshafte Hintergedanken. Indem jener Nachbar, Jarl Oeselrit, seinen Skalden nach Skolund auf Besuch schickte, wies er, wenn auch diskret, darauf hin, daß sich sein Nachbar selbst keinen Skalden halten konnte. So jedenfalls sahen es die

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