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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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und Stürme.«
    Jessach sann immer noch über die Unwahrscheinlichkeit eines Weges über die Baumwipfel eines ganzen Waldes nach, als ihn das Knirschen von Sand aus seinen Gedanken hochschrecken ließ. Die stakenden Männer stießen einen Freudenschrei aus, während
    Jessachs Blick auf den fetten Mond fiel, der seitwärts, von ihm nicht beachtet, aus dem Wasser aufgestiegen war.
    »Verzeiht, Herr«, sagte der Sergeant, »ohne ein paar Schritte durchs Wasser wird es nicht abgehen. Beladen ist das Fahrzeug zu schwer, um noch näher heranzufahren.«
    Zwei der Nachen waren schon auf den Strand gezogen, weitere näherten sich rechts und links von Jessachs Boot dem Ufer. Wie in Trance auf den Mond hinstarrend, stieg Jessach aus dem Boot. Das Wasser ging ihm bis knapp über die Knöchel. Neben ihm waren die Männer damit beschäftigt, die Sänfte aus einem der Nachen an Land zu bringen.
    Er wollte in der Sänfte übernachten. Das mochte unbequem sein, aber es schien ihm immer noch einladender als auf den Baumwipfeln. Der Sandstreifen an Land war schmal, keine zwanzig Schritte vom Wasser entfernt begann schon der Wald.
    »Fackeln!« befahl der Sergeant.
    Es dauerte eine Zeit, bevor die Männer damit zurechtgekommen waren, die Holzscheite, die an einem Ende mit langsam brennen dem Baumharz getränkt waren, aus dem Gepäck hervorzuholen und anzuzünden.
    »Leuchtet uns«, sagte der Sergeant und schritt mit den Bränden und den am Boden zuckenden Fackeln auf die schwarze Mauer zu, als die sich der Wald darbot.
    Jessach folgte den Männern. Sie suchten etwas, hielten jetzt die Fackeln tiefer.
    »Da«, sagte der Sergeant und deutete auf einen phosphoreszierenden Stein, »das führt uns zu den Trittästen. Wir haben Glück gehabt, daß wir so rasch darauf gestoßen sind. In Abständen von tausend Schritt finden sich solche Wegweiser.«
    Vom See her hatte sich der Bannwald ausgenommen wie eine dunkle abweisende Masse. Jetzt, aus der Nähe, ließen sich Einzelheiten erkennen und Jessach sah, daß es tatsächlich drei Wälder n1 verschiedener Höhe waren, die sich ineinanderschoben, mit einander verwachsen waren.
    Die Mammutbäume, deren Stämme kein Ende zu nehmen schienen, so weit man auch den Kopf in den Nacken legte, mußten die legendären Wächter sein. Sie standen in beträchtlichen Abständen voneinander und überragten, die Wipfel gewaltigen Helmbüschen gleich, die Buchen und Fichten, die auch schon an die zwanzig, dreißig Meter hoch sein mochten und das Gros der Bäume ausmachten. Zwischen ihnen drängten knorrige Eichen mit von der Witterung zerborstenen Stämmen zum freien Himmel. Nahe dem Boden bildeten Birken, Haselnußstauden und Holunderbüsche, durchwunden von Efeu, wildem Geisblatt und übermannshohen Brombeerhecken ein tausendfach verflochtenes Dickicht.
    »Da …!« rief der Sergeant triumphierend, »die Trittäste.«
    An einer Fichte, deren Stamm so breit war, daß sie ein ausgewachsener Mann nur mit Mühe hätte umspannen können, waren in bestimmten Abständen nach oben die Äste derart beschnitten, daß sich ganz deutlich eine Folge von Sprossen ergab. Jessach grauste es davor, dort hinaufsteigen zu sollen, aber es erschien ihm plötzlich einleuchtend, daß man da oben sicherer war als auf dem Strand.
    »Und die Sänfte?« fragte er.
    »Ihr seht ja selbst … man wird sie hier unten zurücklassen müssen. Dort oben kommt man nur zu Fuß voran.«
    Jessach wollte ihn fragen, weshalb man dann die Sänfte überhaupt bis hierher mitgenommen habe. Aber angesichts des Sachverstandes, den der Sergeant bisher immer bewiesen hatte, fürchtete er, dieser könnte ihn auch jetzt mit einer plausiblen Antwort beschämen.
    »Nun ja«, sagte er mit einer Forschheit, die Furcht verriet, »dann also hinauf! Es bleibt uns ja wohl keine andere Wahl.«
    »Wartet noch einen Moment, Herr«, sagte der Sergeant, »ein paar der Männer sollen mit Fackeln und Speeren Fische stechen, sie am Feuer braten und uns dann hinaufbringen. Gewiß seid auch Ihr hungrig.«
    »Schrecklich hungrig, und auch durstig. Sagt dem Dolmetscher, er soll die Kruke mit dem Met nicht vergessen, die wir aus dem Dorf mitgenommen haben.«
    Während der Sergeant mit den beiden Fackelträgern noch einmal zu den Nachen zurückging, um den Männern dort seine Anweisungen zu geben, wartete Jessach vor dem Stamm mit den Trittästen. Hier war es dunkler als auf dem Strand. Er wandte den Kopf zur Seite und sah zum Mond. Er hatte gehofft, dessen mild-weißliches Licht

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