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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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diesen Bildern haftet. Solange werden wir uns immer im Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt bewegen. Auch die Druiden lehren, die höchste Gnade, die die Totenrichter gewähren können, bestehe darin, die Seele eines Gestorbenen ins Nichts zu entlassen. Du weißt ja, sie behaupten, solche Geschichten seien ihnen vom Zwerg Allwiss erzählt worden.Übersetzen wir das, so heißt das nichts anderes, als daß sie sehr alt sind. Sie stammen aus einer Zeit, in der alles Wissen noch nicht jenen Grad der Abstraction erreicht hatte wie bei uns. Auch wenn von einer sehr hohen Mauer die Rede ist, muß man das nicht unbedingt wörtlich nehmen. Man könnte auch sagen: damit wird eine Schwelle bezeichnet, über die man nur mit großen Schwierigkeiten gelangt, hinter der alles zu Nichts und das Nichts alles wird. Deswegen solltest du dich nicht damit abquälen, durch Meditation in die Anderswelt einzudringen. Dem Nichts, das einem mit der Erleuchtung einsichtig wird, sollte man sich denkend und meditierend annähern. Kannst du mir folgen?«
    »Einigermaßen«, sagte Madru.
    »Wir wären dann nämlich, wenn uns das gelänge, der Willkür der Totenrichter entzogen. Wir würden frei werden von der Angst vor dem Tod, was Rückwirkungen auch auf die Art unseres Lebens hätte. Keiner wäre mehr Herr über unsere Zukunft, nur wir selbst. Wer wollte dann noch Macht über uns ausüben, wer wollte uns erschrecken und einschüchtern? Wir wären in der wahren Bedeutung dieses Wortes frei.«
    Jammes hielt inne und schüttelte den Kopf. »Es hat immer noch nicht die rechte Anschaulichkeit … so, daß es für jeden verständlich ist …«
    »Das wäre ein neuer Weg«, sagte Madru.
    »Ja«, erwiderte Jammes, »es wäre ein neuer Weg. Ich habe mir überlegt: vielleicht muß der Hinweis auf die Katastrophe als ein Bild verstanden werden. Vielleicht muß der Mensch alles, was sein Bewußtsein anfüllt, vernichten, um erlöst zu werden.«
    »Warum bleibt Ihr nicht hier und legt uns Eure Lehre genauer aus?«
    »Weil dieser Guh ein alter Esel ist … oder, um es anders auszudrücken: weil ich nicht auf dem Scheiterhaufen enden möchte.« »Und wohin wollt Ihr gehen?«
    »Der Wald ist groß genug. Ich bin nicht allein. Es gibt schon eine ganze Menge Anhänger meiner Lehre. Wir werden eine Siedlung gründen. Und wenn sie uns hier, im Großen Wald meine ich, nicht in Frieden lassen, werden wir weiter fortziehen.«
    Madru überlegte. Sollte er Jammes fragen, ob er ihn auch mitnehmen wolle? Etwas hielt ihn hier. Zuerst war es ein vages Gefühl. Dann wurde ihm bewußt, daß es die Liebe zu Alissa war. Sie lebte mit ihrer Mutter und ihren Schwestern in einem geräumigen Haus in der Nähe der Akademie. Madru sah sie nicht, aber in unregelmäßigen Abständen erreichten ihn über Mola Nachrichten. Er hatte mehrmals versucht, über Mola eine Verabredung mit Alissa zu treffen, aber die Alte hatte noch jedesmal gesagt: »Ihr werdet euch sehen, wenn es an der Zeit ist.«
    Madru hatte bei sich schon entschieden zu bleiben, als Jammes zu ihm sagte: »Nein, du kannst nicht mit uns kommen, Madru. Sie würden mir noch vorwerfen, daß ich den Sternensohn entführt hätte.«
    »Es hat mich nur einen Augenblick verlockt«, sagte Madru, »ehe Ihr antwortetet, war ich von mir aus schon entschlossen zu bleiben.«
    Jammes sah Madru scharf an. »Pflichtgefühl oder ein Mädchen?« »… ein Mädchen.«
    »Wenn es sich um Alissa handelt … es sind mir da Gerüchte zu Ohren gekommen, und wenn ich es weiß, so weiß es Guh bestimmt auch … so sei auf der Hut«, sagte Jammes. »Guh versteht in dieser Beziehung keinen Spaß.«
    »Es ist ja auch kein Spaß. Ich liebe Alissa. Wir sind doch gar nicht Bruder und Schwester. Und selbst angenommen, wir wären es -was ist schon dabei? Auch Bri und Bru haben sich geliebt.«
    »Guh würde finden, du seiest unmoralisch.«
    »Was ist das?«
    »Wenn man sich über Sitten und Gebräuche hinwegsetzt.« »Findet Ihr das auch schlimm?«
    »Kommt darauf an. Es zeigt die Neigung, sich zum Richter über sich selbst zu machen. Deswegen ist Guh auch entschieden dagegen. Für ihn bedeutet es Machtverlust. Daher ist ihm auch Alissa verdächtig. «
    »Verzeihung«, sagte Madru, »ich sehe den Zusammenhang da nicht. «
    »Paß auf … früher waren die Frauen sehr mächtig. Es hat lange gedauert, bis ihre Macht abnahm, bis der Mann zum mächtigeren der beiden Geschlechter wurde. Nun zu Alissa.. . sie besitzt etwas von dieser alten Macht der Frauen.

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