Madru
Nebel löste sich sofort wieder auf. Jetzt aber wurde er dichter und dichter, und bald war von der Landschaft vor ihm, von dem Haus in seinem Rücken, ja selbst von dem Boot, das nur einen Steinwurf weit zu seiner Linken auf den Strand gezogen lag, nichts mehr zu sehen. Die wabernde wattige Weiße blieb. Er hörte ein Wiehern und Schnauben. Dann hoben sich, zunächst nur für Augenblicke, später ganz deutlich, die Umrisse von zwei Reiterinnen aus dem Nebel. Die eine zog an einem kurzen Strick ein drittes Pferd, das ungesattelt war, hinter sich her.
Beide Frauen hatten kurzes Haar, das schwarzbläulich wie Rabengefieder schimmerte, während ihre bloßen Arme und ihre Gesichter so aussahen, als seien sie mit kreidigem Schlamm bestrichen.
»Da sitzt er!« rief die eine, deutete auf ihn, und beide lenkten jetzt ihre Pferde hinab zur Erde. Als die Hufe die Kiesel des Strandes berührten, sprangen zwar einige Steine auf, aber es gab keinen Laut. Die Frauen ließen ihre Pferde frei. Das eine schüttelte den Kopf, als wolle es etwas abstreifen. Gleich darauf waren alle Tiere im Nebel verschwunden.
Madru musterte die Frauen, die näher kamen. Langsam, als hemme etwas den Lauf der Zeit.
Die eine war groß und hager und in der Mitte ihrer Unterlippe stand ein riesiger grüner Zahn vor. Die andere war eher füllig und gedrungen. Beide trugen lange graue Röcke aus Spinnweben und Blusen, die aus Mohnblättern zusammengenäht waren.
»Ein hübscher Bursche«, sagte die Dicke, »sie hat keinen üblen Geschmack, wenn es darum geht, ihre Ritter zu wählen.« »Erinnere dich daran, liebe Schwester«, sagte die Hagere, »was sie befohlen hat. Wir sollen ihn zu ihr bringen, so rasch wie möglich und ohne Umweg und Aufenthalt.«
»Den Lohn ist auch er uns schuldig. Und ich gedenke ihn einzumahnen. In einer Nacht schaffen wir die Reise ohnehin nicht, sagte die Dicke, »laß uns also bis zu unserem Haus reiten und d Tag über dort rasten.« Sie lächelte lüstern.
»Es ist noch nicht raus, ob er in deinem Bett schläft, Peg!« »Das findet sich dann, Jenny Grünzahn. Er wird wählen.« »Wette, daß du schlecht abschneidest Schwester. Du bist feist geworden über den Winter. Das viele ›Schlehenfeuer «
»Es gibt Männer, die haben etwas dagegen, wenn sie sich überall an Knochen stoßen.«
»Ein unerschöpfliches Thema«, erwiderte Jenny und zuckte di Achseln, »sehen wir zu, daß wir den Kerl in den Sattel hieven und den Weg unter die Hufe kriegen.«
»He, du!« sie tippte Madru mit einem knöchernen Finger auf die Schulter, und es kam ihm vor, als berühre ihn ein Eiszapfen, »wir müssen los. Hab keine Furcht vor dem Gaul. Er sieht gewaltig au geht aber zahm wie ein Schaukelpferd.«
Sie holte eine kleine silberne Pfeife hervor. Ein schriller Ton erklang und sofort kamen die drei Pferde angetrottet.
»Was soll das alles?« fragte Madru mürrisch.
»Oh, auch so einer von denen, die es ganz genau wissen wollen«, maulte Peg, »die Sorte kenn ich.«
»Nicht der«, sagte Jenny Grünzahn, »er kann sich an nichts mehr erinnern.«
»Juhhe!« rief Peg. »Dann wird es lustig.«
»Benimm dich doch«, zankte Jenny und versetzte ihr einen Knuff mit ihrem spitzen Ellbogen. Dann fügte sie tadelnd hinzu: »Es gibt Leute, die wirklich nur das Eine im Kopf haben.«
»Wie«, krächzte Peg, »tu doch nicht so, als hättest du keinen Spaß daran.«
»Immer noch gehabt«, sagte Jenny, »also, junger Mann, wenn wir den Auftrag bekommen, einen rüberzuholen, muß er sich's schon heftig gewünscht haben. Das ist die Voraussetzung. Offenbar hat Bru einen Narren an dir gefressen. Wenn dem so ist, kannst du's bei uns ganz schön weit bringen. Sie sagt, wo's lang geht. Ne flotte Person. Steht tipptopp in der Wäsche, würde ich sagen. Wir sind nur ihre Büttel. Schwerer Job das. Geht nicht immer auf die feine Art ab. Na, denn mal los!«
Madru blieb keine Zeit, sich lange zu besinnen oder noch weitere Fragen zu stellen. Sie stießen ihn mehr auf sein Pferd, als daß es ihm aus eigener Geschicklichkeit gelungen wäre, auf dessen Rücken zu gelangen, und im Nu waren sie selbst im Sattel. Jenny Grünzahn rief: »Hussa!« und Peg: »Yerrah!«, und schon erhoben sich die Tiere mit einem mächtigen Satz in die Luft.
Madru bekam gerade noch die Mähne seines Gauls zu fassen und 1 fielt sich dort mit beiden Händen krampfhaft fest. Sie hatten in/ wischen eine schwindelerregende Höhe erreicht.
1 her dem Wald, der hinter dem See lag und eine
Weitere Kostenlose Bücher