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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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ins Bett fallen und sagte: »Ich wähle blind.«
    Es wollte Madru vorkommen, als ob dies ein ganz besonders langer Tag sei. Da aber viele der zärtlichen Spiele, die seine beiden Freundinnen mit ihm spielten, für ihn neu waren, und er Freude daran hatte, wie ihnen dabei immer wieder Hören und Sehen verging, spielte er sie immer wieder mit ihnen; und die beiden Frauen fanden, so reichlicher Lohn sei ihnen schon lange nicht mehr gezahlt worden. Endlich aber schliefen alle drei ein, ohne daß Madru der Urteilsspruch abverlangt worden wäre.
    Er schlief traumlos und tief, bis ihn ein klägliches Miauen weckte. Er ging dem Laut nach, verließ das Zimmer, kam in die Küche und sah durch das Fenster, daß es draußen schon anfing dunkel zu werden.
    Eine dreifarbige Katze drückte ihr Gesicht an die Scheibe. Er öffnete das Fenster, und sie sprang, immer noch laut miauend, herein. Sie lief voran zu einem Faß, in dem er Milch fand. Er gab der Katze zu trinken. Sie rieb ihr Fell an seinen nackten Beinen. Er sah draußen die Falltür und horchte. Es kam ihm merkwürdig vor, daß gar keine Geräusche von den Pferden heraufdrangen. Er öffnete die Falltür und blickte in einen hohen Saal, ganz und gar mit dunklem Marmor ausgekleidet.
    Die Wendeltreppe war geblieben. Er stieg vorsichtig hinab und sah, daß da drei Tische aus weißem Marmor standen. Auf jedem lag ein Besen und ein Stengel Kreuzkraut. Es war ihm unheimlich zumute. Er wollte zur Stalltür hinaus. Da war keine Tür, sondern statt ihrer ein Spiegel, mit einem Schafvlies verhängt. Wütend riß er es herab. Was er vor sich sah, war nicht sein eigenes Bild, sondern dies:
     

VIERZEHNTES KAPITEL
    Im Stall der Zauberpferde, und was Madru im Spiegel unter dem Schafvlies sieht

    Kein Zweifel, es war die Große Halle. Madru erkannte die mächtigen Stämme von Pappel und Erle. Er sah die gesund und frisch dastehenden Segensbäume. Sein Blick ging hin über den versteinerten Baumstamm mit den beiden Inschriften. Wie damals bei seiner Inthronisierung saßen die Freisassen in Reihen an den langen Tischen. Wie damals: an der Westwand der Tisch der Vornehmen, erhöht auf einem Podest.
    Madru erkannte den Fürsten, Ase, die beiden ältesten Töchter des Fürsten und deren Ehemänner. Neben ihnen aber, auf dem Ehrenplatz in der Mitte saß ein Mann, den er nie zuvor gesehen hatte. Er wirkte klein, untersetzt und trug auf dem Fest, das hier offensichtlich im Gange war, eine schwarze mit Gold eingefaßte Rüstung. Auf dem Harnisch ein geflügeltes Schiff. Vor ihm auf dem Tisch neben dem Teller lagen ein langes Eisenschwert und ein Dolch. Der Mann war kahlköpfig und hatte einen langen dünnen Ziegenbart unter dem Kinn, an dem er häufig herumzupfte, obgleich dieser aus kaum mehr als sechs, sieben Haaren bestehen mochte. Wie durch Eingebung wußte Madru, daß es König Lausbart war. Er war also ge-kommen. Um Tribut einzutreiben oder um Rache zu nehmen? Ihm rechts zur Seite saß Alissa in einem weiten Gewand, bleich, etwas aufgedunsen im Gesicht. Dann kam Mola. Sie runzelte verächtlich die Stirn, als wolle sie dagegen protestieren, hier mit dabei sein zu müssen.
    In dem Augenblick, da er in den Spiegel sah, war Madrus Erinnerungsvermögen zurückgekehrt. Er empfand jetzt Sehnsucht nach Alissa. Er wußte wieder, wie das Zimmer aussah, in dem sie schlief. Er spürte ihren Geruch, hörte den Tonfall ihrer Stimuli. Er wußte auch wieder, wo in seiner Zelle sein Bilderspiel lag. Im Spiegel sah er jetzt, wie durch einen kleinen Durchlaß im weiterhin geschlossenen Osttor ein Mann die Große Halle betrat, der genau so von Kopf bis Fuß in Leder gekleidet war wie der Bote, der ihn in Ängratörn aufgesucht hatte. Der Ledermann lief durch die Halle, an den langen Tischen vorbei, an denen die Gäste den Speisen und Getränken zusprachen. Auch Rauschmoos war schon gereicht worden. Es fiel Madru auf, daß unter den Freisassen ungewöhnlich viele Fiedler saßen.
    Der Ledermann mit dem Brief fiel ihm ein. Wut stieg in ihm auf, Scham überkam ihn, weil in einer entfernten Ecke seines Bewußtseins doch auch ein Fünkchen Zweifel aufgeglommen war. Der Ledermann ging zu der Tafel, an der die Vornehmen saßen. Er trat hinter Lausbart und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der nickte, hob die Hand und rief in den Saal: »Freunde und Untertanen! Eben meldet man mir, daß der Tribut angeliefert worden ist. Viertausend Felle. Welche Freude! Nun ist wieder Frieden und Freundschaft zwischen Svea und Norrland.

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