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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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Petronila Alcayaga geboren. Ihre Mutter hatte baskische Vorfahren, ihr Vater war Mestize. Von ihm erbte sie ihre indianischen Gesichtszüge. Als sie drei Jahre alt war, verließ der Vater, ein Lehrer, die Familie, und sie zog mit ihrer Mutter in das Dorf Monte Grande im Tal des Elqui-Flusses. Hier wuchs sie mit ihrer bereits erwachsenen Halbschwester Emelina und deren Tochter in bescheidenen Verhältnissen auf. Emelina, die ebenfalls Lehrerin war, brachte Lucila Lesen und Schreiben bei. Ihr widmete Gabriela Mistral später das Gedicht »La maestra rural« (dt.: Die Landschullehrerin).
    Monte Grande war für Mistral die Heimat, auf die sie in ihrem Werk immer wieder Bezug nahm. Sie hat sich einmal selbst als »ländliche Dichterin« bezeichnet, denn auch die Natur spielte für sie eine große Rolle. Wie sie es verfügt hatte,wurde sie in Monte Grande begraben, und dort wurde ein Berg nach ihr benannt, wie sie es sich gewünscht hatte. In ihrem Testament hatte sie zudem festgelegt, dass nach ihrem Tod sämtliche Gelder aus ihren Autorenrechten den Kindern von Monte Grande zukommen sollen. Mistrals langjährige Freundin und Testamentsvollstreckerin, die 2006 verstorbene US-Schriftstellerin Doris Dana, beklagte jedoch Ende 2002, dass man sich in Chile nicht daran hielte: Diktator Augusto Pinochet habe ihr die Autorenrechte entzogen. Inzwischen trägt das Land der Verfügung der Dichterin Rechnung.
    Bereits im Alter von 15 Jahren begann Lucila Godoy zu unterrichten, als Hilfslehrerin im Badeort La Serena, und sie schrieb Beiträge für regionale Zeitungen. 1906 forderte sie in einem Artikel besseren Zugang zu Bildung für Frauen und kritisierte die traditionelle Rollenverteilung der Geschlechter. Es gibt zwei Erklärungen, warum sie selbst nie ein Lehramtsstudium absolviert hat: Ihr fehlte das Geld, lautet die eine; sie wurde nicht zum Studium zugelassen, weil sie in ihren Artikeln atheistisches und revolutionäres Gedankengut verbreitete, besagt die andere. 1910, sie unterrichtete inzwischen an einer Schule in Santiago, verlieh man ihr jedoch aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung den staatlichen Titel zur Lehrbefähigung an höheren Schulen. Dies soll ihr den Unmut vieler Kollegen eingetragen haben.
    Ihr Pseudonym Gabriela Mistral legte sie sich 1914 zu, als sie sich erstmals an einem Dichterwettbewerb in Santiago beteiligte, den sie mit ihren drei »Sonetos de la Muerte« (dt.: Sonette des Todes) gewann. Sie nahm die Ehrung jedoch nicht persönlich entgegen, sondern wohnte ihr still im Publikum bei. »Rückblickend erscheinen die drei Kompositionen, die sie in ihre erste Sammlung
Desolación
(dt.: Trostlosigkeit, 1922) aufnahm, kaum als Produkt einer vielversprechenden Debütantin, sondern als ausgereifte Schöpfung einer großen und einsamen Persönlichkeit«, heißt es im
Autorenlexikon Lateinamerika
.
    Als Dichterin nannte sie sich nun fast immer Gabriela Mistral,auch wenn sie 1917 noch in einer Anthologie chilenischer Dichtung mit ihrem Geburtsnamen erschien. Sie entschied sich für den Namen, weil sie den italienischen Dichter Gabriele D’Annuncio und seinen französischen Kollegen Frédéric Mistral besonders verehrte. Sie schrieb jedoch später auch: »Als Kind betete ich andächtig zum Erzengel Gabriel. Von ihm legte ich mir den Namen zu. Mistral – das ist der Name des heftigen Mittelmeerwindes. Ungewöhnlich stark haben mich immer die Elemente angezogen, überhaupt die Kräfte der Natur.« Gabriela hieß auch ihre frühverstorbene Nichte, die für sie wie eine Schwester war.
    Zwar wuchs sie ab ihrem dritten Lebensjahr nur unter Frauen auf, doch sie erinnerte sich später auch oft an ihren Vater, der ebenfalls gelegentlich Gedichte schrieb und zu ihrer Geburt eines für die »süße Lucila« verfasst hatte: »Die Verse meines Vater waren die ersten, die ich las, und sie erweckten meine poetische Leidenschaft.«
    In den folgenden Jahren arbeitete sie zunächst als Lehrerin an verschiedenen Schulen im ganzen Land. Mit knapp 30 Jahren wurde sie erstmals Schulleiterin, in Temuco. Sie war auch in der Erwachsenenbildung tätig und gründete Bibliotheken. Dort im Süden hat sie auch Pablo Neruda kennengelernt, der 1971, 36 Jahre nach ihr, als zweiter Lateinamerikaner den Nobelpreis für Literatur erhielt. Er erinnerte sich an sie als eine menschenfreundliche Frau, die ihm Bücher schenkte und in langen Kleidern und mit flachen Absätzen durch den Ort ging. Auf Kleidung legte sie wenig Wert. Im Übrigen wird sie

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