Maechtig, mutig und genial
Sonette, Tänze, Dramen und Elogen auf den Vizekönig. Auch in den galanten Spielen, die Teil der barocken höfischen Kultur waren, konnte sie reüssieren.
Doch nach wenigen Jahren als Hofdame entschied sich Juana Inés 1667 plötzlich, mit 19 Jahren, den Schleier zu nehmenund ins Kloster zu gehen. Angeblich kam dieser Schritt für ihre Umgebung völlig überraschend, denn bis dahin hatte sie keinerlei besondere religiöse Berufung gezeigt. So nahm man an, ihr Beichtvater habe sie hierzu gedrängt. Sie selbst aber erklärte später, sie habe keinerlei Neigung zu heiraten verspürt, so dass der Gang ins Kloster für sie das kleinere Übel schien. Sie erhoffte sich dort Ruhe und Abgeschiedenheit, um ihre Studien fortsetzen zu können. Vermutlich wählte sie daher zunächst auch den strengen Orden der Barfüßigen Karmelitinnen, den sie aber nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen wieder verließ. Kurz darauf trat sie dem Hieronymitenorden bei, und dieser Schritt war endgültig. Sie legte ein Gelübde ab und nahm den Namen Sor (dt.: Schwester) Juana Inés de la Cruz an. Zunächst schienen sich ihre Hoffnungen auf mehr Muße für ihre »Leidenschaft, von der ich nicht weiß, ob sie ein Geschenk oder eine Strafe des Himmels ist«, auch zu erfüllen. Sie veröffentlichte in dieser Zeit weltliche und geistliche Dichtungen, zwei Theaterstücke, ein kurzes Epos
(Der Traum)
und die für die Barockkultur so typischen allegorischen Werke in Versen und Prosa. Auch konnte sie weiterhin gelehrte Dispute führen, empfing Besuche von Personen aus Politik und Wissenschaft und stand mit dem berühmten spanischen Wissenschaftler und Literaten Carlos de Sigüenza y Góngora in Briefkontakt. Sie las Kopernikus, Kepler und den damals berühmten deutschen Jesuiten Athanasius Kircher. In ihrer Klosterzelle beherbergte sie eine der besten Bibliotheken ihrer Zeit, sammelte Musikinstrumente und wissenschaftliche Geräte. 1690 erschien ihr einziges theologisches Traktat, die »Carta Atenagórica«, in der sie in Auseinandersetzung mit einer der bekanntesten Predigten der damaligen Zeit eine relativ gewagte These über den Liebesbeweis Christi aufstellte. Damit bot sie aber allen, denen ihre »unweiblichen« Studien und ihr Ruhm schon immer ein Dorn im Auge gewesen waren, eine willkommene Angriffsfläche. Der Bischof von Puebla, wo das Traktat gedruckt worden war, bislang einer ihrer Förderer undGesprächspartner, sah sich zu einer öffentlichen Maßregelung veranlasst, die er unter dem Pseudonym Sor Filotea, verfasste. Auch ihre Oberin hatte sie zuvor aus Angst vor dem Eingreifen der Inquisition mehrfach aufgefordert, ihre Studien aufzugeben, mit wenig Erfolg, wie Sor Juana in ihrer Antwort auf den Brief der vermeintlichen Nonne Filotea schreibt. Dieser Brief ist eine noch heute lesenswerte Verteidigung des Rechtes von Frauen auf Bildung, und zwar Bildung jeder Art. Juana schilderte darin ausführlich ihren von Kindheit an ungeheuren Wissensdurst, aber auch die fruchtlosen Versuche, dagegen anzukämpfen. Anschaulich berichtet sie, wie sie nach ernsten Ermahnungen ihrer »sehr frommen und sehr arglosen« Oberin die Bücher beiseitegelegt habe, dem völligen Studierverbot jedoch nicht folgen konnte, denn »wenn ich auch nicht in Büchern studierte, so studierte ich in all den Dingen, die Gott erschuf, sie waren für mich die Buchstaben, und die Maschine des Alls war das Buch. Nichts, war es auch noch so klein und plump, sah ich, ohne nicht in Nachdenken zu verfallen, nichts hörte ich, ohne nicht in Überlegungen zu versinken. … Was … könnte ich Euch nicht alles über die Geheimnisse erzählen, die ich beim Kochen der Natur entlockte? Da sieht man, dass ein Ei wie eine Masse zusammenhält, wenn es in Schmalz oder Öl gebraten wird, in Sirup aber auseinanderläuft. … Aber … was bleibt uns Frauen anders als Küchenphilosophie? … Und wenn ich all diese unscheinbaren Dinge betrachte, denke ich: wenn Aristoteles gekocht hätte, hätte er noch viel mehr geschrieben.«
Es waren gerade der naturwissenschaftliche Forschungsdrang sowie ihre häresieverdächtige theologische These, die den Argwohn des Bischofs hervorriefen. Hätte Sor Juana sich auf mystische Gedichte beschränkt, so wäre ihr literarisches Schaffen eher akzeptiert worden, doch einen Einbruch in die »männliche« Welt der Naturwissenschaften und der Theologie, noch dazu in so »respektloser« Form, wollte die koloniale Gesellschaft des 17. Jahrhunderts nicht
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