Maechtig, mutig und genial
Abenteuer gemacht und damit in ihre Wohnung gelockt, wo ihn dann die Kämpfer der FSLN erwarteten.
Wie Astorga und Belli selbst stammt die Heldin des Romans aus der Oberschicht, muss sich mit dem
machismo
auseinandersetzen und lebt im Spannungsfeld von traditionellen Rollenerwartungen und dem Streben nach Selbstbestimmung und Emanzipation sowie nach sexueller Erfüllung. Diese Themen ziehen sich durch Gioconda Bellis gesamtes Werk. Ihre Heldinnen sind immer Frauen, und immer sind sie stark. Belli glaubt, dass ihr Körper der Frau Macht verleiht, über den Mann, aber auch, weil sie damit Leben schenken kann: »Der Mann unternimmt alle möglichen Anstrengungen, um diese Macht der Frau zu kontrollieren, weil er Angst vor ihr hat«, so ihre Erklärung für den
machismo
und die Unterdrückung der Frau durch den Mann. »Wenn meine Romane eine Funktion haben, dann die, der Welt der Frauen eine Stimme zu geben«, erklärte sie 1991.
Mit dem sandinistischen Befreiungskampf befasste sich Belli erneut in ihren Memoiren
El País bajo mi piel
(dt.: Das Land unter meiner Haut), die 2000 zunächst in Spanien erschienenund zwei Jahre später unter dem Titel
Die Verteidigung des Glücks. Erinnerungen an Liebe und Krieg
auf Deutsch.
Am 10. April 1987 heiratete sie in dritter Ehe den US-amerikanischen Hörfunkjournalisten Charles Castaldi, mit dem sie eine weitere Tochter hat, Adriana, die 1993 geboren wurde. Aus Sicht der Sandinisten ging sie eine Mesalliance ein, Innenminister Tomás Borge wollte ihr den Kontakt mit Castaldi verbieten, weil er diesen aufgrund seines amerikanischen Passes als Sicherheitsproblem ansah. Er könnte Belli aushorchen, so Borges Befürchtung. Die USA unterstützten damals die anti-sandinistischen
Contra
-Rebellen, mit denen sich die FSLN im Krieg befand. Belli hielt allerdings an ihrer Beziehung fest. Auch Castaldi bekam wegen seiner Verbindung zu Belli Probleme mit seinem Arbeitgeber: Ihm wurde vorgeworfen, sandinistische Propaganda zu verbreiten. Im Juni 1990 zog Belli mit ihrem Mann zunächst nach Washington und dann nach Santa Monica / Kalifornien. Sie hält sich aber regelmäßig in Managua auf, das sie »meinen Platz in der Welt« nennt.
Ihr zweiter Roman
Sofía de los presagios
(dt.:
Tochter des Vulkans
) kam 1990 auf den Markt, der dritte,
Waslala
, 1996. Beide Bücher wurden ebenfalls Bestseller. Die Kritik warf ihr gelegentlich eine naive Weltsicht vor und zieh sie des Kitsches, doch sie stört das nicht: »Ich glaube nicht, dass gute, moderne Literatur zwingend zynisch, skeptisch und pessimistisch sein muss. Ich nehme für mich in Anspruch, das Leben romantisch zu sehen, episch und überschwänglich«, erklärte sie 2008 in einem Interview.
In ihrem vierten Roman
El pergamino de la seducción
(dt.:
Das Manuskript der Verführung
) setzte sich Gioconda Belli erstmals nicht mit Nicaragua auseinander, sondern mit einem historischen Thema. Er erzählt die Lebensgeschichte von Johanna der Wahnsinnigen, der Tochter der spanischen Könige Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón. Nachdem Johanna zwei Jahre lang – von 1504 bis 1506 – Königin von Kastilien war, wurde sie nach dem Tod ihres Mannes, Philippdes Schönen, entmachtet, für wahnsinnig befunden und zeitlebens in einem Kloster eingesperrt. Folgt man Bellis Roman, war Johanna den Männern ihrer Familie, auch ihrem Vater, zu intelligent, zu eigenwillig und zu stark, so dass sie sich ihrer entledigten. Der folgende Roman,
El infinito en la palma de las manos
(dt.:
Unendlichkeit in ihrer Hand
), 2009 erschienen, erzählt die Schöpfungsgeschichte neu.
Erst in ihrem Roman
El páis de las mujeres
(2010, dt.:
Die Republik der Frauen
) wendet sie sich wieder Nicaragua zu, Faguas, wie es in ihren Romanen heißt. Sie nennt den Roman eine politische Satire, die aus ihren Erfahrungen im Nicaragua der 1980er Jahre entstanden ist. Damals hatte sich eine Gruppe von Sandinistinnen, darunter sie selbst, heimlich zusammengefunden, um zu diskutieren, wie sie frauenspezifische Themen auf die Agenda der FSLN bringen könnten, die sich damals fast ausschließlich mit Wirtschafts- und Militärpolitik befasste. Die Gruppe nannte sich
Partido de la Izquierda Erótica
, (dt.: Partei der erotischen Linken), abgekürzt PIE, was auf Deutsch Fuß bedeutet. Im Roman gewinnen die Frauen die Wahlen, übernehmen die Regierung und schicken alle Männer nach Hause, weil sie überzeugt davon sind, dass diese nicht zu politischen Veränderungen fähig sind,
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