Maechtig, mutig und genial
Erdbebens ihr Haus.
Erst mit ihrer Beteiligung am Kampf der FSLN habe sie das Gefühl der Schuld verloren, aus einem wohlhabenden Elternhaus zu stammen, sagte Gioconda Belli später. Sie glaubte damals, die Welt zum Besseren verändern zu können, erinnerte sie sich in einem Interview. Die Eltern waren wie sie Gegner Somozas, doch den bewaffneten Kampf, für den sich die Tochter entschieden hatte, billigten sie nicht. Gioconda warb neue Mitglieder an, stellte ihr Haus für geheime Treffen zur Verfügung und fungierte als Kurier zwischen den Führungskadern der FSLN.
Bald stand sie auf der Fahndungsliste des Somoza-Regimes, und 1975 musste sie ihre Heimat verlassen, da Somozas Geheimdienst ihr auf der Spur war. In Abwesenheit wurde sie in Nicaragua zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
Sie ging zunächst für einige Monate nach Mexiko, wo sie sich hauptsächlich ihren Gedichten widmete, und dann nach Costa Rica ins Exil. Dort arbeitete sie erneut in einer Werbeagentur. Als Mitglied der politisch-diplomatischen Kommission der FSLN sammelte sie zudem in Lateinamerika und Europa Spendengelder für die Sandinisten. Die schöne Frau mit den roten Locken wurde gelegentlich als die Ikone des Sandinismus bezeichnet. Ihr gutes Aussehen war jedoch nicht nur von Vorteil, erklärte sie einmal, da sie ihren
compañeros
beweisen musste, dass sie nicht nur gut aussah, sondern auch Verstand hatte.
Von Costa Rica aus schmuggelte sie Waffen nach Nicaragua, arbeitete gemeinsam mit dem Schriftsteller und späteren nicaraguanischen Vizepräsidenten (1984–1990) Sergio Ramírez an einer Beilage der Sandinisten zu einer costaricanischen Zeitungund organisierte Werbekampagnen für die FSLN. Sie lebte dort mit dem Brasilianer Sergio de Castro zusammen, und 1978 kam der gemeinsame Sohn zur Welt, den sie nach Camilo Ortega, dem Bruder Daniel Ortegas, benannte. Dieser hatte sie einst überzeugt, eine aktive Rolle im Sandinismus zu übernehmen. Camilo Ortega war im Kampf gestorben, und sie wollte ihn ehren, indem sie ihren Sohn nach ihm benannte.
Sie erhielt 1978 für ihren zweiten Gedichtband
Línea de Fuego
(dt.: Feuerlinie) den kubanischen Literaturpreis
Casa de las Américas
. Da der Band politische Gedichte gegen die Diktatur enthielt, die zum Widerstand aufriefen, erschien er nicht in Managua, sondern in Havanna. 1981 veröffentlichte der Peter Hammer Verlag unter dem Titel
Feuerlinie
erstmals eine Auswahl aus ihren beiden ersten Gedichtbänden auf Deutsch.
Nach dem Triumph der Sandinisten am 19. Juli 1979 arbeitete sie für die neue Regierung. Sie leitete zunächst einen staatlichen Fernsehkanal, schrieb politische Artikel für die sandinistische Tageszeitung
Barricada
und gehörte dem Vorstand der Schriftstellervereinigung an. Eine Weile arbeitete sie als Assistentin von Planungsminister Henry Ruiz, einem der neun
comandantes
der FSLN, mit dem sie eine Liebesbeziehung unterhielt, an der ihre Verbindung zu de Castro zerbrach. 1981 trennte sie sich auch von Ruiz. Sie vertrat danach die Sandinisten im Nationalen Parteien-Rat, arbeitete ab 1982 im staatlichen Presseamt, war Wahlkampfsprecherin der FSLN vor den Präsidentschaftswahlen 1984 und widmete sich schließlich zwei Jahre lang verschiedenen Werbekampagnen im Erziehungs- und Gesundheitssektor.
Währenddessen schrieb sie drei weitere Gedichtbände. Eine Auswahl daraus erschien auf Deutsch in den Bänden
Wenn Du mich lieben willst
(1985) und
Aus einer Rippe Evas
(1989). Inzwischen hatte sie sich auch im übrigen Lateinamerika, in den USA und in weiteren europäischen Ländern als Dichterin einen Namen gemacht.
1986 trat sie von sämtlichen politischen Ämtern zurück, um ihren ersten Roman
La mujer habitada
(dt.:
Bewohnte Frau
) zu schreiben, der 1988 im Original und auf Deutsch erschien. Belli verkaufte davon allein in Deutschland rund eine Million Exemplare und erhielt dafür 1989 den Preis Das politische Buch der Friedrich-Ebert-Stiftung. Schon zwei Jahre zuvor hatte sie den Anna-Seghers-Preis für ihre Gedichte erhalten.
Belli widmete ihren Roman
Bewohnte Frau
ihrer Jugendfreundin Nora Astorga, die am 14. Februar 1988 im Alter von 39 Jahren an Krebs gestorben war. Die Sandinistin und Rechtsanwältin hatte ab 1978 mit der Waffe in der Hand gegen Somoza gekämpft, war später stellvertretende Justizministerin und schließlich Nicaraguas Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Wie Bellis Heldin Lavinia hatte Astorga einem somozistischen General Hoffnung auf ein sexuelles
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