Maechtig, mutig und genial
nach Bogotá um, wo die Söhne eine solide Ausbildung erhielten. Auch Policarpa lernte lesen und schreiben, was für ein Mädchen der Mittelschicht in der damaligen Zeit durchaus ungewöhnlich war. Doch die gute familiäre Situation in der Hauptstadt währte nicht lange, denn 1802 brach eine Pockenepidemie aus, der die Eltern sowie zwei Geschwister von Policarpa zum Opfer fielen. Die Familie löste sich daraufhin auf und La Pola und ihr jüngerer Bruder blieben bei einer älteren Schwester zurück. Diese zog 1804 wieder in den Geburtsort Guaduas, wo sie heiratete. Über die Zeit inGuaduas ist wenig bekannt, vermutlich lernte La Pola hier das Schneiderhandwerk, erlebte aber auch die politischen Umwälzungen mit. Der Ort lag an einem Verkehrsknotenpunkt, den Vizekönige, Bischöfe, Maultiertreiber und Truppen auf dem Weg vom Río Magdalena in die Hauptstadt passieren mussten. Als 1810 der spanische Vizekönig in Bogotá abgesetzt und die Unabhängigkeit Neu-Granadas verkündet wurde, schlug sich die Familie Salavarrieta auf die Seite der »Patrioten«.
Die neu gewonnene Freiheit hielt jedoch nicht lange. Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege in Europa sandte der spanische König ein großes Heer ins nördliche Südamerika, das die abtrünnigen Kolonien zurückerobern sollte. Es folgte ein Krieg, in dem die spanischen Truppen nach der (Rück-) Eroberung der zentralen Gebiete ihre Herrschaft durch Terror, aber auch durch Befriedung mit Hilfe von Begnadigungen zu festigen suchten. Die Unabhängigkeitskämpfer zogen sich in die Weiten der venezolanischen und kolumbianischen Ebenen, die Llanos, zurück, um von dort aus die Region wiederzugewinnen. In diese Zeit zwischen 1815 und 1819 fällt die Aktivität La Polas. Irgendwann nach 1810 begann La Pola zusammen mit ihrem Bruder Bibiano, sich in der Unabhängigkeitsbewegung zu engagieren, vor allem als Übermittlerin von Botschaften und Überbringerin von Materialien für die Truppen in den Llanos. 1817 zogen die beiden von Guaduas wieder nach Bogotá, diesmal unter falschem Namen, um in der Hauptstadt unerkannt weiter für die Unabhängigkeitsbewegung tätig zu sein.
La Pola und Bibiano kamen bei der gleichgesinnten wohlhabenden Andrea Ricaurte y Lozano unter, die Policarpa, nun Gregoria Apolonia genannt, als Näherin in die Häuser der Spanier schickte. Dort schnappte La Pola Neuigkeiten auf und beschaffte über Kontakte zu Offizieren in spanischen Diensten wichtige Informationen. Manche von ihnen waren ehemalige Patrioten, die sich den Spaniern angeschlossen hatten, um aus der Haft entlassen zu werden. Die wichtigste Aufgabe von La Pola lag somit im Bereich der Spionage sowie in der Aufgabe,die Soldaten in spanischen Diensten zum Überlaufen zu bewegen bzw. ihnen dabei behilflich zu sein. Dabei arbeitete sie stets eng mit anderen Frauen, wie ihrer »Herrin« Andrea Ricaurte zusammen. Ein Vertrauter, mit dem sie vermutlich auch ein Liebesverhältnis verband, war Alejo Sabaraín. Als dieser zusammen mit einigen anderen nach dem Scheitern einer Verschwörung mit Hilfe von La Pola aus der Stadt floh, trug er Dokumente mit Informationen über die royalistischen Truppen bei sich. Die Flucht scheiterte, Sabaraín wurde gefangengenommen und die Dokumente enttarnten La Pola, die sich bis dahin frei in der Stadt und in den Häusern der spanientreuen Familien bewegt hatte. Bevor die Soldaten sie im Hause von Andrea Ricaurte festnahmen, schaffte diese es noch, wichtige Papiere, die andere Verschwörer verraten hätten, ins Feuer zu werfen. Andrea Ricaurte tat so, als habe sie von den Aktivitäten ihrer Näherin nichts gewusst und konnte sich auf diese Weise retten. La Pola jedoch wurde zusammen mit den anderen Verschwörern, unter ihnen auch Sabaraín, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihre Leiche wurde, im Gegensatz zu denen der Männer, nicht zur Abschreckung öffentlich ausgestellt, doch rief die Hinrichtung einer jungen Frau aufgrund eines politischen Vergehens große Anteilnahme im Volk hervor und stachelte den Widerstand gegen die spanischen Besetzer erst recht an. Ihr Leichnam wurde auf Drängen zweier ihrer Brüder, die Geistliche waren, im Kloster San Agustín in Bogotá beigesetzt. Jahre später wurde er von dort in den Pantheon der Helden der Unabhängigkeit überführt.
Die Hinrichtung eines jungen und schönen Mädchens aufgrund des Widerstandes gegen die spanische Besatzungsmacht bewegte das Volk und inspirierte zahlreiche Dichter, Romanciers, Dramaturgen und
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