Maechtig, mutig und genial
besten ecuadorianischen Kreisen eine Art Salon führte. Als es in Peru zu einer letztlich gescheiterten Verschwörung gegen den Vizekönig kam, schlug sie sich eindeutig auf die Seite der »Patrioten«.
Dies war die Zeit, in der der Venezolaner Simón Bolívar allmählich zum wichtigsten militärischen Führer der Unabhängigkeit des nördlichen Südamerika wurde. Nach jahrelangen Kämpfen und vielen Rückschlägen gelang 1819 der Durchbruch, der die Gründung der Republik Großkolumbien ermöglichte. Diese umfasste die heutigen Staaten Venezuela und Kolumbien. Bolívar wurde ihr erster Präsident und schickte sich an, die noch unter spanischer Herrschaft stehenden Gebiete des Vizekönigreiches Peru zu befreien. 1822 zog er in Quito ein. Manuela Sáenz, die dort gerade zu Besuch war, nahm an der Siegesfeier teil und begegnete dem »Befreier« persönlich. Der – allerdings nicht gesicherten – Überlieferung zufolge war es Manuela Sáenz, die Bolívar bei der Feier den Lorbeerkranz aufs Haupt setzte. Wie dem auch sei, die beiden verliebten sich, und es entwickelte sich ein enges Verhältnis, das bald allseits bekannt war. Bolívar selbst war seit längerem verwitwet, Manuela aber bekanntermaßen verheiratet, dochbemühte sie sich nicht, die Beziehung geheim zu halten. Vermutlich war ihre Ehe ohnehin zu dem Zeitpunkt zu einer rein formalen Angelegenheit geworden.
Als Simón Bolívar 1824 nach Peru weiter zog, um auch diese Hochburg der spanischen Royalisten zu erobern, ging Manuela höchstwahrscheinlich im Heer mit, ohne dass sie sich ständig an seiner Seite aufhielt. In den Briefen, die von ihr an Bolívar aus dieser Zeit erhalten sind, wird die Vertrautheit Manuelas mit politischen und militärischen Fragen deutlich. Darüber hinaus kümmerte sie sich um die Versorgung des Heeres. Sie organisierte die Verproviantierung und das Sanitätswesen, aber auch die Verwaltung des Archivs und wurde bald von Bolívar dafür mit einem militärischen Rang geehrt. Nach Abschluss der Eroberungen erhielt sie 1828 in Lima zusammen mit 110 anderen Frauen den von General San Martín gestifteten Orden der
Caballeresas del Sol
.
Für Bolívar selbst war die Beziehung mit einer verheirateten Frau, die darüber hinaus noch alle Konventionen der damaligen Zeit missachtete, wenn sie ihren Interessen widersprachen, nicht unproblematisch, zumal als nach den entscheidenden Siegen gegen die Spanier im Lager der Patrioten Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten immer offener zutage traten. Wohl auch aus diesem Grund versuchte er 1825 das Verhältnis unter Hinweis auf dessen ehebrecherischen Charakter zu beenden. Manuela antwortete darauf mit einem Brief, in welchem sie eine Parallele zwischen der Abschüttelung des Jochs des Kolonialismus und der Befreiung von ebenfalls als kolonial bezeichneten Moralvorschriften zog. Offenbar konnte sie ihn damit umstimmen. Allerdings sind dies die einzigen Äußerungen von Manuela Sáenz, die jenseits ihres unkonventionellen Lebens als ein Zeichen dafür gedeutet werden können, dass sie für die Emanzipation der Frauen eintrat.
In den folgenden Jahren nach dem Sieg über die Spanier lebten Bolívar und Manuela Sáenz zeitweise offen zusammen, aufgrund der vielfältigen Rebellionen sowie politisch motivierterReisen kam es jedoch immer wieder zu längeren Trennungen. Manuela Sáenz blieb bis zu Bolívars Tod eine seiner engsten Vertrauten, für deren Ratschläge er häufig sehr dankbar war, auch wenn er sie nicht immer befolgte. Die Rivalitäten im Lager der Patrioten, die in den folgenden Jahren mehrfach zu Anschlägen auf Bolívar und sein Lager führten, waren für seine Partnerin ständiger Anlass zu politischer Wachsamkeit und Sorge. 1828 rettete sie ihm in Bogotá das Leben, als sie dafür sorgte, dass er seinen Gegnern entkommen konnte. Spätere Biographen, die dem freizügigen Leben der Gefährtin Bolívars sonst wenig abgewinnen konnten, haben diese Episode immer besonders hervorgehoben und sie zur
Libertadora del Libertador
(dt.: Befreierin des Befreiers) erklärt. Andererseits war sie an einigen politischen Auseinandersetzungen nicht unschuldig, vor allem, da sie eine erbitterte Gegnerin des Vizepräsidenten und späteren Präsidenten der Republik Großkolumbiens, Francisco de Santander, war und aus ihrer Feindschaft gegen ihn kein Hehl machte. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Abkühlung des Verhältnisses zwischen Manuela Sáenz und Simón Bolívar auch in politischen Divergenzen und in
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