Maechtig, mutig und genial
ermöglichen.
Es waren unruhige Zeiten damals. Die linksperonistische Gruppe
Montoneros
sowie die prokubanische Guerilla
Ejército Revolucionario del Pueblo
(ERP, dt.: Revolutionäres Volksheer)warfen Bomben und entführten Militärs, Politiker und Unternehmer. Auch Ernestina lebte mit der Angst, entführt zu werden und fuhr jeden Tag auf einem anderen Weg in den Verlag. Doch noch etwas trieb sie um: Das Konkurrenzblatt
La Opinión
war von Hunderten jungen, links orientierten Journalisten besetzt worden, die dessen Enteignung forderten, damit dort künftig Journalismus für das Volk betrieben werden könnte. Auch im
Clarín
arbeiteten Sympathisanten der Guerillagruppen sowie in der links orientierten Pressegewerkschaft engagierte Redakteure und Verwaltungsangestellte.
Am 10. September 1973 entführte dann das ERP Bernardo Sofovich, den Justitiar des
Clarín
. Das ERP ließ ihn frei, weil die Zeitung bereit war, einige Kommuniqués der Gruppe zu veröffentlichen. Kaum war Sofovich am nächsten Tag wieder auf freiem Fuß, wurde das Gebäude des
Clarín
von einem rechtsperonistischen Kommando überfallen, das Brandbomben warf und die Anzeigenkasse mitgehen ließ. Eine Telefonistin wurde verletzt. Das dem rechten Teil der peronistischen Gewerkschaften nahestehende Terrorkommando nahm Rache dafür, dass die Witwe mit den Guerilleros trotz anderslautender Maßgabe seitens der Regierung über Sofovichs Freilassung hatte verhandeln lassen und dem ERP obendrein eine Plattform in der Zeitung eingeräumt hatte. Nach dem Überfall hatte Ernestina Herrera erst einmal genug von den Peronisten, ganz gleich, ob linker oder rechter Prägung, und die Zeitung begann, die peronistische Regierung zu kritisieren. Diese reagierte sofort und strich sämtliche staatlichen Anzeigen. Dieser wichtigen Einnahmequelle beraubt, erschien
Clarín
für eine Weile nur noch mit 36 anstatt der bisherigen 120 Seiten. Wohl oder übel musste man mit der Regierung verhandeln, und diese trotzte der Zeitung die Ernennung eines peronistischen Redaktionsleiters ab.
Nach Peróns Tod am 1. Juli 1974 übernahm dessen Frau Isabel ( S. 118 ) als Vizepräsidentin das erste Staatsamt, und das politische und wirtschaftliche Chaos nahm weiter zu. Für alleFälle begann Ernestina Herrera, das Vermögen der Zeitung sicher anzulegen oder ins Ausland zu schaffen. Sie kaufte ein Ferienhaus in Uruguays Nobelbadeort Punta del Este, wo sie immer noch regelmäßig ihren Urlaub verbringt, sie erwarb Häuser für ihre Schwestern und plante den Bau ihrer Sieben-Millionen-Dollar-Villa in Martínez, einem Reichenvorort von Buenos Aires, in der sie bis heute lebt.
Einige Monate vor dem Putsch der Militärs gegen Isabel Perón am 24. März 1976 begann
Clarín
, sozusagen im vorauseilenden Gehorsam, 59 linke Redakteure und Angestellte zu entlassen, die sich in Belegschaftsversammlungen besonders hervorgetan hatten. Mitarbeiter, die sich organisieren und Forderungen stellen, sind bis heute nicht nach dem Geschmack des Führungsduos der Zeitung, und die Witwe hat angeblich noch nie einen Gewerkschafts- oder Mitarbeitervertreter empfangen.
Clarín
zahlt gut im Vergleich zu anderen Medien, und das weiß sie, und so zeigte sie sich immer eisern gegenüber jeglicher Forderung ihrer Mitarbeiter. Wer aufmuckt, so die Politik in der
Clarín
-Gruppe, muss gehen. Dies bekam auch Herreras Biograph Pablo Llonto zu spüren, der 1999 wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten nach 19 Jahren Firmenzugehörigkeit entlassen wurde. Im August 2000 bekamen sogar 117 Mitarbeiter die Papiere, die für kürzere Arbeitszeiten, aber auch für bessere Arbeitsbedingungen schwangerer und stillender Frauen auf die Straße gegangen waren. Frauensolidarität war noch nie ein Thema für Ernestina Herrera de Noble. Dabei erweckt sie gern den Eindruck, als sei die Redaktion so etwas wie eine große Familie, wenn sie alljährlich im hocheleganten, meist glitzernden Schneiderkostüm, ihrem Markenzeichen, am Jahrestag der Gründung der Zeitung eine Ansprache hält und verdienten Mitarbeitern einen goldenen Schlüsselanhänger in Form des
Clarín
-Logos – ein stilisierter Signalhornbläser – überreicht. Der Personalchef flüstert ihr jeweils zu, wem sie da die Hand schüttelt, denn die Herausgeberin kennt nur wenige ihrer Mitarbeiter.
Wie so viele Argentinier, war Herrera zufrieden, als die Militärs der Regierung Isabel Peróns ein Ende setzten, damit wieder Ruhe einkehrte im Land. Entsprechend berichtete ihre
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