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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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Zeitung. Sämtliche Linken waren bereits entlassen worden, so dass nur Carlos Alberto Pérez, der Leiter der Literaturbeilage, den Säuberungen der Militärs zum Opfer fiel, weil er in einem kleinen Verlag einige Werke Mao Zedongs herausgeben wollte. Er wurde im Mai 1976 am helllichten Tag von einer Gruppe bewaffneter Männer aus seinem Büro entführt und zählt heute zu den rund 30 000 Verschwundenen der Diktatur. Der Redaktionschef hatte versucht, nach ihm zu forschen, doch vergeblich. Pérez’ Mutter glaubt, die Witwe hätte ihn retten können, wenn sie gewollt hätte. Doch die war damals damit beschäftigt, zwei Kinder zu adoptieren.
    Im Mai 1976 bekam sie zunächst Marcela. Angeblich hat das Mädchen damals in einem Karton vor ihrem Haus gelegen, und zwei Zeugen, eine Nachbarin und ein Hausmeister eines Nachbarhauses, bestätigten dies. Richterliche Nachforschungen ergaben jedoch 2002, dass die vermeintliche Nachbarin nie neben Herrera de Noble gewohnt hat und der angebliche Hausmeister fast 40 Jahre lang der Chauffeur ihres verstorbenen Mannes war.
    Im Juli folgte dann Felipe. Seine leibliche Mutter, eine Carmen Luisa Delta, Ausweisnummer 5847175, kam angeblich mit dem Kind im Arm zum Gericht in San Isidro und gab es zur Adoption frei. Die Richterin stimmte ohne Prüfung zu und übergab den Jungen der Witwe. Auch diese Angaben hielten den richterlichen Untersuchungen nicht stand. In Argentinien gibt es keine Frau dieses Namens. Die Ausweisnummer ist die eines Mannes, der nichts mit der Sache zu tun hat.
    1991 kamen erstmals Vermutungen auf, dass die Witwe ihre guten Beziehungen zu den Militärs genutzt hatte und diese ihr die Kinder Verschwundener zur Adoption übergeben hatten. Es dauerte jedoch weitere elf Jahre, bis ein Richter auf eine Anzeige der Großmütter der Plaza de Mayo hin die Ermittlungenaufnahm. Er ließ Herrera de Noble, inzwischen 77 Jahre alt, festnehmen. Sie verbrachte wegen Verdachts auf Urkundenfälschung einige Tage in Polizeigewahrsam. Der Richter wurde sehr bald von dem Fall abgezogen. Marcela und Felipe Noble stellten sich auf die Seite der Witwe. Zwar haben sie Blutproben abgegeben und damit eine Feststellung ihres »genetischen Fingerabdrucks« ermöglicht, sie erlauben jedoch nicht, dass dieser mit sämtlichen Einträgen der genetischen Datenbank von Angehörigen Verschwundener abgeglichen wird, so dass ihre Identität nach wie vor ungeklärt und der Fall weiter anhängig ist.
    Wieder auf freiem Fuß, veröffentlichte Herrera de Noble in ihrer Zeitung einen offenen Brief, in dem sie nicht nur ihre Unschuld beteuerte, sie schrieb auch, hinter der Anklage gegen sie verberge sich »ein politischer Sektor, der das Feld für die Übernahme der ganzen Macht säubert: Der erste Schritt ist die Zerstörung der unabhängigen Medien. … Sie wollen eine Diktatur errichten, die wie eine Demokratie aussieht, ohne Militärjuntas.« Die Herausgeberin versprach ihren Lesern, sie wolle auch weiterhin ein Medium führen, das die Demokratie verteidigt und »ein Werkzeug im Dienste der Menschen« bleibt.
    Unter der Diktatur unterlag
Clarín
wie alle Medien der Zensur, doch die Witwe ließ auch sonst keinen Zweifel daran, dass sie auf Seiten der Militärs stand. Sie ließ sich wiederholt mit Juntachef General Jorge Rafael Videla ablichten. Ein Foto ging im Juni 1979 sogar um die Welt: In einer weißen Pelzjacke steht sie strahlend neben Videla, um der holländischen Nationalmannschaft den Pokal eines von
Clarín
organisierten, internationalen Fußballturniers zu überreichen.
    Der Witwe ging es gut unter der Diktatur. Die Militärs schlossen 1977 ihre schärfste Konkurrenz,
La Opinión
, die in Besitz der Bankiers- und Verlegerfamilie Graiver war. So erreichte
Clarín
bald eine Auflage von 600 000 und konnte sich für eine Weile weltweit auflagenstärkste Zeitung in spanischer Sprache nennen.
    Und die Militärs machten es möglich, dass
Clarín
größter Aktionär der Papiermühle
Papel Prensa
wurde, die bis dato zu 75 Prozent ebenfalls den Graivers und zu 25 Prozent dem Staat gehörte. Den Graivers sagte man nach, sie verwalteten die Konten der
Montoneros
. Nachdem Bankier David Graiver bei einem Flugzeugabsturz in Mexiko ums Leben gekommen war, erklärten sich auch die übrigen Familienmitglieder bereit,
Papel Prensa
zu einem äußerst günstigen Preis an
Clarín, La Nacíon
und
La Razón
zu veräußern. Es steht zu vermuten, dass sie seitens der Militärs aufgrund ihrer Verbindungen zu

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