Maechtig, mutig und genial
Oder sie haben sogar eine Absicht dahinter vermutet. Diese soll dann entweder darin bestanden haben, dass Tania Pläne der Stasi und des KGB ausführte, die auf diese Weise die Unternehmung Che Guevaras torpedieren wollten, oder sie soll im Gegenteil versucht haben, sich von diesen zu lösen und ein Leben als Guerillera an der Seite Ches zu führen. Wie oben dargestellt, entbehren beide Varianten aber jeder Grundlage.
Tania blieb nichts anderes übrig, als bei der Truppe zu bleiben. Nun wurde sie zu »Tania,
la guerillera
«. Allerdings übertrug ihr Che zunächst nur »typisch weibliche« Arbeiten wie Essenkochen und Nähen sowie das Abhören und Aufbereitender Radionachrichten. Als Tania darauf bestand, mit einer Waffe ausgestattet und zu Wachdiensten eingeteilt zu werden, widersetzte sich Che, dessen Frauenbild ziemlich konservativ war. Schließlich gab er aber nach. Dies heißt jedoch nicht, dass er Tania zum Kern der Kämpfer zählte. Für Che stellten Tania sowie die beiden ausländischen Gäste eine Belastung dar, und er versuchte, ihre Flucht vorzubereiten. »Carlos« und »Dantón« entkamen tatsächlich, wurden aber von den Militärs aufgegriffen und zu langen Haftstrafen verurteilt. Tania war nicht bei ihnen, denn nach zwei Monaten im Dschungel war ihre Gesundheit angegriffen und sie musste mit anderen Kranken bei der Nachhut gelassen werden. Die Situation der Guerilleros wurde immer prekärer, und schließlich wurde die Nachhut, bei der Tania sich aufhielt, Ende August 1967 in einen Hinterhalt gelockt und fast alle Mitglieder erschossen. Einen Monat später kam auch die Gruppe unter Che Guevara auf ähnliche Weise um.
Der Leichnam Tanias war zunächst nicht aufzufinden, wurde aber eine gute Woche später in furchtbarem Zustand angeschwemmt. Im Gegensatz zu den Leichen der anderen Guerilleros, insbesondere derjenigen Che Guevaras, die heimlich verscharrt wurden, um jeglichem Märtyrerkult vorzubeugen, erhielt Tania von den bolivianischen Militärs ein christliches Begräbnis. Offenbar hatte man nicht befürchtet, sie könne zu einer Märtyrerin der revolutionären Bewegung werden, oder aber man hatte geargwöhnt, dass eine Verweigerung eines christlichen Begräbnisses für eine Frau negative Reaktionen selbst bei denjenigen hervorrufen würde, die den Zielen der Guerilla ablehnend gegenüberstanden, vor allem bei denjenigen, die Tamara/Tania als Laura Bauer gekannt hatten. Anderen Berichten zufolge hätten die Frauen des Dorfes, in dem sie gefunden wurde, auf einem würdigen Begräbnis für die Guerillera bestanden.
Der frühe Tod Che Guevaras und seine charismatische Ausstrahlung, die von dem italienischen Verleger und KommunistenGiangiacomo Feltrinelli geschickt vermarktet wurde, führten dazu, dass Che Guevara ein Jahr nach seinem Tod zum Idol der Studentenproteste von 1968 wurde. Sein berühmtes Konterfei nach einem Foto von Alberto Korda war in der Protestbewegung allgegenwärtig, manchmal wurde aber auch dasjenige von Tania, meist bekleidet mit einer schräg ins Gesicht gezogenen Baskenmütze, mitgeführt. Möglicherweise als Antwort darauf verbreiteten einige Journalisten unter Berufung auf den übergelaufenen Stasi-Offizier Männel in konservativen Blättern die Version von Tania als Doppelagentin und Verräterin.
Doch auch in der DDR war die Erinnerung an Tania/Tamara schwierig, selbst wenn sich ihre Mutter Nadja Bider immer wieder bemühte, das Ansehen ihrer Tochter als Heldin des Sozialismus hochzuhalten. Angesichts der Tatsache, dass Che Mitte der 1960er Jahre mit der Sowjetunion gebrochen hatte, war Tanias Unterstützung seiner Aktivitäten allerdings erklärungsbedürftig. Hinzu kam, dass sie unerlaubt die DDR verlassen hatte, was man aber einfach verschweigen konnte. Schließlich widmete ihr 1969 die
Junge Welt
eine Reihe von Artikeln, in denen anhand verschiedener Episoden die junge Heide Tamara als eine von Che Guevara zwar faszinierte, aber von seinen politischen Positionen nicht überzeugte Frau dargestellt wurde. Ihr sei es letztlich darum gegangen, nach Lateinamerika zurückzukehren und beim Aufbau des Sozialismus dort zu helfen.
Während Che Guevara inzwischen größtenteils zu einem Pop- und Werbeidol ohne politischen Inhalt verkommen ist, ist Tania weitgehend in Vergessenheit geraten. Obwohl weder Che Guevara selbst noch die kubanischen Geheimdienstoffiziere sie als Guerillakämpferin einsetzen wollten, ist ihr Nachruhm nicht der einer Geheimagentin, sondern einer Guerillera,
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