Maechtig, mutig und genial
sollten, doch machte ein Militärputsch in La Paz die Aufgabe schwieriger. Im November 1964, kurz vor ihrem 27. Geburtstag, erreichte Tania alias Laura Bauer auf dem Landweg Bolivien.
Ein halbes Jahr später brach Che Guevara, unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, in den Kongo auf, um dort die Formierung einer antiimperialistischen Guerilla zu unterstützen. Tania/Laura/Tamara begann derweil, sich in La Paz als an traditioneller Musik interessierte Ethnologin zu etablieren und knüpfte Kontakte zu Kolleginnen, Nachbarn und über diese zu einer Reihe von einflussreichen Personen in Bolivien. So kann man sie auf einem Foto anlässlich eines Wettbewerbs zu indigenen Tänzen auch mit dem damaligen bolivianischen Präsidenten René Barrientos sehen. Zu Beginn des Jahres 1966 heiratete sie einen jungen Bolivianer, wodurch sie auch die bolivianische Staatsbürgerschaft annehmen und sich freier im Land bewegen konnte. Die Verstellung schien perfekt. Niemand vermutete hinter der hübschen, unpolitischen und etwas chaotischenjungen Frau, die angeblich von Deutschunterricht lebte, eine kubanische Spionin. Auf ihren völkerkundlich getarnten Reisen durch das Land sammelte Tania/Laura/Tamara politische und militärische Informationen, die sie im Rahmen einer Reise nach Mexiko im Detail an ihre Arbeitgeber weiterleitete. Sie half so, die Mission von Che Guevara vorzubereiten, die ab 1966 anlief.
Laura kehrte nach La Paz zurück, ihr Mann erhielt ein Stipendium in Bulgarien, so dass er ihre Arbeit nicht stören konnte, und im November 1966 etablierte sich Che Guevara mit einigen Kämpfern auf einer abseits gelegenen Farm im bolivianischen Tiefland. Tanias Aufgabe war es, den Kämpfern bei ihrer Ankunft in La Paz zu helfen, politische und militärische Informationen zu beschaffen und ein Verbindungsnetz aufzubauen, zu dem auch Unterstützer aus dem Ausland gehörten.
Insgesamt waren die Aktivitäten der Untergrundkämpfer politisch wie militärisch erfolglos und gestalteten sich immer schwieriger. Die erhoffte Unterstützung von Seiten der bolivianischen Bevölkerung blieb weitgehend aus, selbst die Beziehungen zur kommunistischen Partei Boliviens waren gespannt. Die Bauern halfen den zumeist städtischen Milieus entstammenden Ausländern kaum, Krankheiten und andere Unannehmlichkeiten der Tropen setzten den Guerilleros zu, und das bolivianische Militär, unterstützt von demjenigen der USA und der CIA, bekam bald Wind von der Sache. Die Gerüchte, dass es sich bei der bolivianischen Guerilla um eine Truppe unter der Führung Che Guevaras handelte, der inzwischen zu einer Symbolfigur der westlichen Linken geworden war, verbreiteten sich auch außerhalb Boliviens rasch. Sympathisanten aus Europa und Lateinamerika versuchten, mit den Kämpfern in Bolivien in Kontakt zu treten. Eine der Aufgaben Tanias war es, die Besucher zu Che zu führen. Sie erfüllte diese Aufgaben gewöhnlich mit großer Umsicht und Effizienz, das jahrelange Doppelleben unter falscher Existenz schien sie jedoch zunehmend zu belasten. So jedenfalls äußerten sich Verbindungsoffiziere,die sie länger in La Paz erlebten. Spätere Biographen schlossen daraus, sie habe die Situation, die schließlich zu ihrer Enttarnung führte, absichtlich herbeigeführt, um bei den Guerilleros bleiben zu können.
Doch vermutlich lief im Februar 1967 einfach nur einiges schief: Tania hatte den Auftrag, zwei ausländische Sympathisanten, den Argentinier Ciro Bustos (genannt Carlos) und den Franzosen Régis Debray (genannt Dantón) zu Che Guevara zu bringen. Sie begleitete die beiden, entgegen anderslautender Anweisung, persönlich bis zum Lager der Guerilleros, wohl in der Annahme, bald wieder zurückzukehren. Der
Comandante
war gerade auf einem Übungsmarsch und ließ länger auf sich warten als angenommen. In dieser ohnehin angespannten Situation desertierten zwei bolivianische Kämpfer, die den Militärs in die Hände fielen und offenbar umfangreiche Aussagen machten. Die sich daraufhin entfaltenden Aktionen der Militärs führten zur Entdeckung von Tanias Jeep, in dem sie ihr Notizbuch mit zahlreichen Adressen zurückgelassen hatte, und zu ihrer Enttarnung. Damit war eine Rückkehr ausgeschlossen. Obwohl vermutlich vor allem die Aussagen der beiden Deserteure, die Tania kannten, zur Enttarnung führten, haben spätere Interpreten immer wieder entweder Tanias Unvorsichtigkeit, gepaart mit einer angeblichen emotionalen Labilität, für die Entdeckung verantwortlich gemacht.
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