Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
Vom Netzwerk:
Frauenbewegungen in Lateinamerika. Doch hierzu bedurfte es einiger harter Auseinandersetzungen, an denen Domitila einen wichtigen Anteil hatte. Domitila Barrios und andere Frauen aus der damals sogenannten Dritten Welt wollten in Mexiko vor allem das Thema der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter und ihrer Familien diskutieren, die europäischen und US-amerikanischen Frauen beschäftigte hingegen stärker die Frage der Selbstbestimmung und der Sexualität. Es kam zu heftigen Debatten, in denen Domitila Barrios, die inzwischen gelernt hatte, vor großem Publikum zu sprechen, die Auffassung vieler Frauen aus den Ländern der Dritten Welt artikulierte. So stritt sie sich mit der bekannten US-amerikanischen Feministin Betty Friedan über die Geburtenkontrolle, die auf dem Kongress erstmals intensiv diskutiert wurde, und versuchte, den Frauen der Ersten Welt zu erklären, dass die Probleme der Lateinamerikanerinnen sich von denjenigen der Frauen in wohlhabenden Ländern grundlegend unterscheiden. Zusammen mit anderen Lateinamerikanerinnen konnte Domitila Barrios schließlich die Diskussion wenden und in der Abschlussproklamation dominierten die Themen von Ausbeutung und »Unterentwicklung« gegenüber denjenigen von Reproduktionsrechten und sexueller Selbstbestimmung der Frauen. Die teilweise hart geführten Auseinandersetzungen brachten aber nicht nur die unterschiedlichen Interessen von Frauen aus den verschiedenen Weltregionen ans Licht, sondern bewegten in den folgenden Jahren beide Seiten, die Probleme der anderen ernst zu nehmen und sich aufeinander zu zu bewegen.
    Hierzu trug der autobiographische Bericht Domitilas ganz erheblich bei, der 1977 unter dem Titel
Si me permiten hablar
(dt.:
»Wenn man mir erlaubt zu sprechen …«
) erschien und rasch in mehr als 15 Sprachen übersetzt wurde. Domitila hatte ihn mit Hilfe der brasilianischen Soziologin und Journalistin Moema Viezzer verfasst, die sie auf der Konferenz in Mexiko kennengelernt hatte. Das Buch machte die Lebenssituation der Unterschichtfrauen in Lateinamerika weltweit publik, und Domitila wurde in weiten Teilen der westlichen Welt zu einer Symbolfigur für die Probleme der Frauen der Unterschicht in Lateinamerika und der Dritten Welt.
    Im Gegensatz zu manchen anderen Frauen, deren Leben sich veränderte, nachdem sie durch die Schilderungen ihres Kampfes gegen Armut und Unterdrückung berühmt geworden waren, veränderte sich das Leben Domitilas kaum. Die Jahre unmittelbar nach der Konferenz in Mexiko stellten den Höhepunkt der Proteste der bolivianischen Gewerkschaften gegen die Diktatur von General Hugo Banzer dar. In dieser Zeit kam den Hausfrauen-Komitees aufgrund des Verbotes gewerkschaftlicher Aktivitäten eine besondere Rolle zu, was allerdings schließlich auch die Verhaftung von Frauen aus den Komitees zur Folge hatte. 1977 begann Domitila Barrios zusammen mit weiteren »Hausfrauen« und ihren Kindern einen Hungerstreik gegen die Repression, der sich rasch auf andere Gruppen ausweitete und schließlich entscheidend mit zur Ablösung der Militärregierung führte. Dies sollte das Prestige und die Bedeutung der Hausfrauen-Komitees weiter steigern, allerdings machte die instabile politische Situation eventuelle Erfolge immer wieder zunichte. Wahlen, Unruhen und Putschversuche kennzeichneten die Zeit zwischen 1978 und der nächsten Diktatur ab 1980.
    Für die Wahlen im Juli 1978 stellte die
Frente Revolucionario de Izquierda
(FRI, dt.: Revolutionäre Front der Linken), unterstützt von den Gewerkschaften und einer indigenistischen Gruppe, Domitila Barrios als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft auf, doch als der Parteiführer nach der – später aufgrund von Unregelmäßigkeiten annullierten – Wahl mit demMNR zusammengehen wollte, kam es zu Streitigkeiten. Domitila empfand diesen Schritt als Verrat, wandte sich von der Parteipolitik ab und wieder ganz der Gewerkschaftsarbeit zu. Allerdings war ihre Rolle dort inzwischen auch nicht mehr unumstritten, denn ihre Popularität rief auch Neid hervor. Anschuldigungen, sie habe Gelder des Hausfrauenkomitees von
Siglo XX
veruntreut, stellten sich zwar als falsch heraus, doch sie sah sich aufgrund der Anfeindungen gezwungen, aus dem Komitee auszutreten. Stattdessen kümmerte sie sich nun um die Koordination und Organisation der Komitees auf nationaler Ebene. Die kurze Zeit der demokratischen Öffnung unter der Parlaments- und Interimspräsidentin Lydia Gueiler Tejada ( S. 90 ) blieb eine Episode.

Weitere Kostenlose Bücher