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Maechtiger Samstag

Maechtiger Samstag

Titel: Maechtiger Samstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Einmal musste er kurz stehen bleiben, um eine zwei Meter hohe Steintafel zur Seite zu schieben, die umgefallen war und den Weg blockierte, dann erreichte er die Tür am Ende des Ganges, hielt sich nicht mit dem Türknauf auf, sondern trat sie ein und torkelte in die Bibliothek.
    Sie war leer – es waren nicht nur keine Bürger darin, sondern auch keine Bücher, und auch die bequemen lederbezogenen Lehnstühle und der Teppich waren verschwunden. Sogar die scharlachrote Klingelschnur, an der Nieser gezogen hatte, um das siebeneckige Zimmer mit den Standuhren zu enthüllen, fehlte, wenngleich das Zimmer vermutlich noch da war, hinter dem Bücherregal.
    Das Telefon, das auf einem Beistelltisch gestanden hatte, war auch fort.
    Arthur ließ die Schultern hängen. Er konnte den Druck von draußen spüren wie einen pochenden Kopfschmerz, der sich durch seine gesamte Stirn zog. Der kam von dem Gewicht des Nichts, das sich gegen die auferlegten Beschränkungen aufbäumte, das wusste er. Das Gewicht drückte auf seinen Verstand und machte ihn müde, fast zu müde zum Denken.
    »Telefon«, murmelte er und streckte die rechte Hand aus, während er mit der linken sorgsam den Fünften Schlüssel festhielt. »Ich brauche ein Telefon, bitte. Jetzt!«
    Ohne weitere Umstände erschien in seiner Hand ein Telefon. Arthur stellte es auf den Boden und setzte sich daneben, dann hob er die Hörmuschel ab und beugte sich herab, um in das Mundstück zu sprechen. Er hörte Knistern und Brummen und in der Ferne jemanden singen. Die Melodie hörte sich stark nach ›Auf der Reeperbahn nachts um halb eins‹ an, aber der Text war ›Alle Leitungen brechen zusammen‹.
    »Hallo, hier ist Lord Arthur. Ich muss mit Dame Primus sprechen. Oder mit Nieser. Egal mit wem, eigentlich.«
    Der Gesang endete abrupt und wurde von einer dünnen, sanften Stimme ersetzt, die sich wie raschelndes Papier anhörte.
    »Oh, von wo ruft Ihr an? Diese Leitung scheint genau genommen, äh, nicht angeschlossen zu sein.«
    »Vom Unteren Haus«, sagte Arthur. »Bitte, ich glaube, ich stehe kurz davor, vom Nichts verschluckt zu werden, und ich muss herausfinden, wohin ich noch gehen kann.«
    »Leichter gesagt als getan!«, erwiderte die Stimme. »Habt Ihr schon mal probiert, eine nicht existente Leitung mit einer Telefonzentrale zu verbinden, die nicht mehr da ist?«
    »Nein«, gestand Arthur. Irgendwo draußen hörte er einen schwirrenden Laut, als ob eine Gitarrensaite gesprungen wäre, und gleichzeitig spürte er auch etwas, einen plötzlichen Ruck im Bauch: Sein Netz, seine Verteidigung gegen das Nichts begann zu reißen. »Bitte machen Sie schnell!«
    »Ich kann Doktor Scamandros kriegen – hilft Euch das weiter?«, erkundigte sich die Stimme. »Ihr habt ihn vorher sprechen wollen, heißt es hier –«
    »Wo ist er?«, fiel Arthur ihr ungestüm ins Wort.
    »Im Tiefen Kohlenkeller, was irgendwie seltsam ist«, sagte die Vermittlung. »Denn sonst ist nichts mehr im Unteren Haus angeschlossen … aber metaphysische Umleitung war noch nie meine starke Seite. Soll ich Euch durchstellen? Hallo … hallo … seid Ihr noch dran, Lord Arthur?«
    Arthur hörte nicht mehr zu; er ließ die Hörmuschel fallen und stand auf. Er hielt den Spiegel hoch, konzentrierte sich darauf und wünschte sich den Blick auf die spiegelnde Oberfläche einer Wasserpfütze im Tiefen Kohlenkeller – falls es dort noch eine Pfütze gab, und eine Lichtquelle, um sie zu sehen.
    Kurz wurde er vom Anblick seines Gesichts abgelenkt, das gleichzeitig fremd und vertraut war. Vertraut, weil es im Wesentlichen genauso aussah wie früher, und fremd, weil es zahlreiche kleine Veränderungen aufwies. Seine Wangenknochen waren ein klein wenig ausgeprägter, die Form seines Kopfes war ein bisschen anders, seine Ohren waren kleiner geworden …
    »Der Tiefe Kohlenkeller!«, herrschte Arthur den Spiegel an – nicht nur um sich selbst von dem Anblick loszureißen.
    Er musste jetzt mit seiner vordringlichen Aufgabe vorankommen und einen Zufluchtsort finden, ehe das Nichts Montags Tagraum zerstörte.
    Sein Bild flackerte und wurde von einer schlecht beleuchteten Szenerie ersetzt: Eine Öllampe stand auf einem sehr dicken, ledergebundenen Buch von der Größe mehrerer Ziegelsteine, das auf der Spitze einer stellenweise eingestürzten Pyramide aus kleinen Kohlestücken thronte. Das Lampenlicht war schwach, aber Arthur konnte auf der anderen Seite der Pyramide jemanden ausmachen, der eine Angelrute über dem Kopf hielt

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