Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Tisch/Stuhl – ins Schwanken geriet, einmal brannte der Baum bei der ersten Kerzenprobe und zweimal nadelte er fast restlos ab, als man ihn aus dem Keller holte, weil der Händler einen alten Baum verkauft hatte und keinen frisch geschlagenen … und alles umgab dieser köstliche Duft aus Spekulatius und Braten, grünen Klößen und Rotkraut mit Äpfeln.
    Weihnachten.
    Kein Päckchen war gekommen … kein Brief … nicht einmal eine Karte. Man hatte sie nicht vergessen, sondern sie war ausgestoßen worden. Sie konnte ihn vor sich sehen, den kleinen, polternden Hans Busse: »Nein, nichts! Gar nichts! Für sie gibt es kein Weihnachten! Sie soll wissen, daß es eine Strafe ist! Wenn jemand von euch schreibt … ich sage euch: Ich montiere den Baum wieder ab! Habt ihr verstanden?« Und sie hatten alle genickt, selbst Mutter, trotzdem sie eigentlich aufbegehren wollte.
    »Heute abend gibt es ein Huhn im Topf!« sagte Fiedje Heckroth. Er setzte die flimmernde Spitze mit den drei Glöcklein auf den Baum, die Krönung des Schmuckes. »Nach der Kirche wird bei uns gegessen … meine Frau wird kochen. Sie fühlt sich wieder besser.«
    »Ich weiß. Wir haben heute morgen den ersten Gang durchs Haus gemacht.«
    Heckroth ordnete einige Lamettastreifen, die völlig richtig hingen.
    »Du hast uns viel genutzt, Monika –«, sagte er leise.
    »Ich … ich fühle mich in den wenigen Tagen auch schon wie zu Hause …«
    Zu Hause, dachte sie. Da haben sie mich abgeschrieben. Ich habe kein Zuhause mehr … nur ein kleines Zimmer unter dem hohen, alten Strohdach, zu dem man über eine steile Stiege kommt, ohne Geländer, fast wie eine Leiter. Und wenn es windstill ist, hört man nebenan die Mäuse im Stroh rascheln und ihr helles Quieken, wenn die Katze sie jagt.
    »Du wirst für die Kirche ein Kleid von meiner Frau anziehen«, sagte Fiedje Heckroth und kletterte von der Leiter. Monika Busse schüttelte heftig den Kopf.
    »Das ist nicht erlaubt. Wir dürfen die Anstaltskleidung nicht ablegen.«
    »Es weiß ja keiner! Elga hat das Kleid schon herausgesucht. Sie hat es getragen, als sie siebzehn Jahre alt war … es müßte dir passen.«
    »Das ist völlig unmöglich! Man wird mich sofort nach Wildmoor zurückholen –«
    »Aber es weiß ja keiner! Um die gleiche Zeit, wo in Stavenhagen die Weihnachtsmesse ist, wird in Wildmoor auch Gottesdienst gehalten. Es wird niemand aus der Anstalt in Stavenhagen sein.«
    »Und wenn doch?«
    »Ich nehme es auf mich!«
    Eine Stunde später fuhren sie über die verschneite Moorstraße nach Stavenhagen. Elga Heckroth saß am Herd und kochte. Was früher an grundlosem Haß und Eifersucht in ihr gewesen war, hatte sich gewandelt in Mitleid und einer mütterlichen Fürsorglichkeit. Sie hatte das Kleid Monikas noch am Vorabend geändert, im Bett sitzend und mit der immer wieder durch ihren Körper ziehenden Schwäche kämpfend. Die alte Barbara, die Gewürze für die Bäckerei herumtrug, hatte nicht mehr mit ihren Sprüchen ankommen können. »Ein ganz raffiniertes Früchtchen!« hatte die Alte gewispert. »Die Engelsköpfchen sind die schlimmsten –« Dann war sie gegangen, knurrend wie ein getretener Hund über soviel Unvernunft im Hause Fiedjes.
    Die Kirche war schon gefüllt mit singenden Menschen, als Heckroth mit seinen vier Kindern und Monika Busse sich hinten in das Seitenschiff stellte. Plötzlich faßte Monikas Hand hart in Heckroths Arm.
    »Da steht er … der Direktor …« Ihr kleines, schmales Gesicht war fahlblaß vor Angst. »Jetzt sieht er zu uns herüber … jetzt hat er mich erkannt …«
    Fiedje Heckroth suchte in der dichtgedrängten Menge der Singenden nach Regierungsrat Schmidt. Als er ihn gefunden hatte, ließ er die Kinder und Monika stehen und drängte sich durch die Gläubigen zu ihm durch. Er achtete nicht auf das leise Schimpfen, wenn er jemandem auf die Schuhe trat, nicht auf den strafenden Blick des Küsters, der an der Treppe zur Orgelempore Wache hielt, daß niemand anderes als der Kirchenchor den oberen Teil der Kirche betrat.
    »Herr Direktor –«, sagte Fiedje leise hinter Dr. Schmidt und beugte sich vor. Dr. Schmidt wandte den Kopf zur Seite und lächelte den Bauern an.
    »Sagen Sie nichts, Herr Heckroth … ich habe ja gar nichts gesehen –«
    »Das Mädchen hat es nicht gewollt, Herr Direktor. Es hat sich immer wieder gewehrt … aber wir hatten Mitleid mit ihr. Kein Brief, kein Paket, nicht eine Karte von zu Hause … da haben wir gedacht, wenn wir sie mit in die

Weitere Kostenlose Bücher