Mädchen im Moor
die wir nicht kennen wollen –«
Monika Busse nickte und legte die Hand auf Heckroths Arm, als sei sie es, die ihn trösten müsse.
»Es ist schon gut …«, sagte sie leise. »Zeigen Sie mir die Waschküche … ich will versuchen, alles so gut zu machen, daß Ihre Frau mit mir zufrieden ist –«
Bis in die Abenddämmerung hinein stand sie am Waschtrog und wusch. Es war ein Berg Wäsche, den sie vorfand, und er mußte nach alter Art gekocht werden, in einem riesigen Kupferkessel mit gemauerter Ummantelung, in dem die Wäschestücke in der kochenden Lauge schwammen und mit einem hölzernen Knüppel bewegt werden mußten. Dann hob sie die Bettbezüge und Laken einzeln aus der Lauge, trug sie dampfend zu einer großen Zinkwanne, in der das Waschbrett stand, matt glänzend mit seiner gerillten Reibefläche. Vier Stunden lang schabte sie die Wäsche über das Waschbrett, spülte sie in zwei Holzbottichen klar, immer und immer wieder, bis das Wasser sich nicht mehr trübte. Ihre Hände wurden rot und quollen auf, die Haut zersprang an einigen Stellen und die Lauge drang beißend ins rohe Fleisch. In den blonden Haaren setzte sich der Waschdunst fest, sie klebten um den Kopf und trieften vor Nässe … aber es gab kein Ausruhen, noch weniger ein Ausweichen … der nächste Kessel voll, Anheizen, Reisig und Torf in die Feuerung, Seifenpulver hinein, aufkochen lassen, rühren … rühren … rühren … zurück zur Wanne, schaben, kneten, schlagen, bürsten … hinüber zum Bottich, hinein in die Spüle … zurück zum Kessel, umrühren … zur Wanne, schaben, bürsten … mit den Händen hinein in die heiße, beißende Lauge, den Mund weit auf beim Atmen und doch kaum Luft bekommend, nur Dunst, Laugenqualm, heißes Brodeln … vier Stunden lang …
Als sie den letzten Kessel Wäsche in die Wanne schleppte, sah sie durch den heißen Nebel die Gestalt Elga Heckroths in der Tür stehen. Sie hatte einen langen Bademantel an und starrte sie aus großen, ungläubigen Augen an. Mit beiden Händen hielt sie sich am Türrahmen fest, es war unbegreiflich, woher sie die Kraft genommen hatte, bis hierher zu kommen.
»Wo – wo ist der Bauer?« fragte sie. Es war mehr ein Röcheln. Monika Busse ließ die Wäsche zurück in die kochende Lauge fallen und sprang zur Tür. Sie konnte mit ihren nassen, glitschigen Händen zufassen, bevor Elga Heckroth in die Knie sank und den Kopf gegen die Wand drückte. Sie war nicht schwer, die Bäuerin, sie hing an Monikas Schulter, umklammerte sie und ließ sich durch den Flur zurückschleifen ins Schlafzimmer. Dort legte Monika sie ins Bett und deckte die Schweratmende zu. Dabei sah sie, wie Elga Heckroth beide Hände auf die Bauchnarbe preßte und das Gesicht sich im Schmerz entstellte.
»Der Bauer ist im Stall –«, sagte Monika und setzte sich auf die Bettkante. »Und Sie sind eine dumme Frau –«
Elga Heckroth warf den Kopf auf die Seite und atmete schwer. Dann, nach einem Seufzer, schob sie ihre blasse, verarbeitete, rauhe Hand über die Bettdecke und tastete nach Monikas Fingern.
»Sag nichts dem Bauern …« Ihre Nägel krallten sich in Monikas Handballen. »Und sei nicht mehr böse … komm, bleib bei mir sitzen …«
In der Waschküche blieb ein Kessel mit Handtüchern ungewaschen.
Weihnachten kam so plötzlich für Monika Busse, daß sie ehrlich erstaunt war, als Fiedje Heckroth im Wohnzimmer mit dem Aufstellen und Schmücken des Weihnachtsbaumes begann.
»Heute ist Heiliger Abend!« sagte er und hängte die Kugeln und das Lametta um die Zweige. »Wenn du willst, kannst du heute abend mit nach Stavenhagen kommen und in die Kirche gehen –«
»Als … als Strafgefangene?«
Monika Busse hakte die Aufhänger in die Ösen der Kugeln und reichte sie Fiedje an. Ihre Hände zitterten dabei, und ein paarmal mußte sie nachgreifen, damit die Kugeln ihr nicht auf den Boden fielen.
Weihnachten, dachte sie. Zu Hause roch es nach Pfeffernüssen und Braten, und wir Kinder standen in der Küche und warteten auf die Teigreste, die wir roh lieber aßen als gebacken. Vater schmückte auch den Baum … nur ging es nicht so lautlos zu wie hier … Immer fehlten entweder die Aufhänger oder die Kerzenhalter, der Baum stand schief, der Stamm war zu dick für den Ständer und mußte mit dem Küchenbeil zugehauen werden, was wiederum den Teppich verschmutzte, der gerade beim Hausputz auf dem Hof über der Stange geklopft worden war. Zweimal war Vater mit dem Baum umgefallen, weil sein Turmbau –
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