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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strümpfen war ein winziges Stück Freiheit zu Hilde Marchinski gekommen … die Freiheit, von der sie drei Jahre ausgeschlossen war.
    Vivian v. Rothen war die glückliche Empfängerin einer Schürze, bedruckt mit einer strahlenden Sonne und zwei Dattelpalmen.
    »Ich werde die Schürze ›Sehnsucht nach St. Tropez‹ nennen!« rief Vivian und sprang auf den Tisch.
    Bis tief in die Nacht hinein brannten in den Zimmern der beiden Blocks die Lichter, hörte man die jungen Stimmen durch die kalte Nacht. Niemand drehte um zehn Uhr die Lampen aus, auch die Heimmütter kontrollierten nicht mehr, ob alles im Bett lag.
    Es war Weihnachten.
    Das Fest der Freude und der Liebe.
    Dr. Schmidt war nach Stavenhagen in die Kirche gefahren. Der Weihnachtsgottesdienst in Wildmoor fand erst am ersten Feiertag statt.
    In den Zimmern wurden die Plätzchen gegessen. Dazu gab es heißen Tee.
    Nur eine Einsame gab es an diesem Abend auf Wildmoor. Sie saß allein in ihrem Zimmer, dick, schwammig, traurig, mit verheulten Augen und sah aus dem Fenster hinaus in den Schnee.
    Um Emilie Gumpertz kümmerte sich niemand. Nach dem Mordanschlag wurde sie gemieden wie eine Aussätzige. Sogar ihre Favoritin hatte sie verlassen, nachdem sie auf ihrem Bett einen Zettel fand: Du bist die nächste.
    Nun weinte sie, als sei sie eine Witwe, trug sich mit dem Gedanken, wegzugehen oder jetzt gerade zu bleiben und zu zeigen, wer die Stärkere ist.
    Weihnachten.
    Friede auf Erden.
    Und den Menschen ein Wohlgefallen.
    Amen.
    Auf ihrem Bett lag Hilde Marchinski, das dünne Strumpfpaket fest an die Brust gepreßt.
    Sie träumte von der Freiheit –
    Nach den Feiertagen ging das Leben weiter, vielleicht ein wenig langsamer zunächst, denn auf den Herzen lag noch immer der dumpfe Druck von Erinnerung und Gegenwart.
    Monika Busse blieb bei dem Moorbauern Fiedje Heckroth.
    Gleich nach Weihnachten war er nach Wildmoor gefahren und hatte Dr. Schmidt fast flehend gebeten, Monika noch bei ihm zu lassen.
    »Sie erholt sich so schwer, meine Frau«, hatte er geheuchelt. »Immer hat sie noch Schmerzen im Bauch, und schlapp ist sie, so schlapp, Herr Regierungsrat … gestern rutschte ihr die kleine Kaffeekanne einfach aus den Fingern … so schlapp ist sie …«
    Dr. Schmidt hatte weise gelächelt und den Aufenthalt verlängert. Um allem vorzubeugen, sagte er beim Abschied zu Fiedje Heckroth:
    »Wenn das Eis weg ist, muß umgepflügt werden, dann kommt das Düngen, das Säen, das Ernten, der Garten muß bearbeitet werden, der Torf muß gestochen werden für den Winter … und dann das Gemüse! Zum Markt muß gefahren werden, und der Moorkahn kann ja auch nicht verrotten … alles in allem: So ein Jahr ist schnell um, nicht wahr, Herr Heckroth …?«
    Fiedje verstand sofort. Er grinste, drehte seine Mütze zwischen den Händen, sagte: »Danke schön, Herr Regierungsrat! Ein Wunder, daß so etwas wie Sie ein Beamter ist –« und verließ wie ein fröhlicher Junge die offene Strafanstalt.
    Gleich nach den Feiertagen machte sich auch Pfeifen-Willi auf, um Hilde Marchinski zu besuchen. Sein Weihnachtsgeschenk hatte er bei Marianne nicht abliefern können … obwohl sie ihm angetragen hatte, er könne sie auch bei Vollmond besuchen, fand er Weihnachten die Liegestatt bereits besetzt und mußte sich mit einem Sofa begnügen, sehr zum Mißvergnügen des Jünglings, der dadurch zur Mäßigung verurteilt wurde. Willi besann sich darauf, daß er einmal ein guter Boxer gewesen war, beschäftigte den anderen Feiertagssüchtigen mit Haken und Schwingern und später mit Augenkühlen und verließ nach drei verhältnismäßig unruhigen Tagen die Stadt in Richtung Norden. Lotte Marchinski hatte er am zweiten Feiertag an der Straßenecke gesehen, aufgetakelt, aber sehr blaß. Sie nahm es sich sehr zu Herzen, nicht, daß Willi gegangen war, sondern daß er die 300 DM hatte mitgehen heißen. »Dem brech ick die Jräten wie 'nem Bückling!« hatte sie am nächsten Morgen geschrien. »Mir zu beklauen … wo ick ihn fast jesäugt habe!«
    Willi machte einen weiten Bogen um die Gegend, und er atmete erst auf, als er im Zug saß und der Heide entgegen ratterte.
    Er kam in Stavenhagen an bei Schneesturm, der ihn fast wieder in die kleine Bahnhofshalle zurückgeweht hätte. In einer kleinen Pension mit Metzgerei stieg er ab, fluchte auf seinem Zimmer über das Mistwetter und sinnierte dann, wie man an Hilde herankommen könne. Er war eigentlich ohne Plan gefahren, nur mit dem Gedanken: es muß doch

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