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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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v. Rothen.«
    »Und Sie?«
    »Was ich, Herr v. Rothen?« Der Diener trat einen Schritt zurück aus dem Kerzenschimmer in das Halbdunkel, v. Rothen winkte.
    »Kommen Sie näher, mein Lieber. Weichen Sie nicht ins Dunkel aus. Sie haben Vivian geschrieben, nicht wahr …?«
    »Herr v. Rothen –« Der Diener kam zurück in das Licht. Sein Gesicht war gerötet und verlegen.
    »Keine Ausflüchte! Sie haben!«
    »Ja. Nur eine Karte …«
    »Wieder gelogen … Sie haben ein Paket geschickt.«
    »Ich –«
    »Ich weiß es ja, mein Lieber. Als ob ich Sie nicht durch und durch kennen würde!«
    Er wandte sich ab, starrte in sein Portweinglas und rauchte stumm weiter. Der Diener verließ leise das Kaminzimmer. In der Halle setzte er die Flasche an den Mund und nahm einen tiefen Schluck. Dann ging er in die Küche, wo die Köchin am gedeckten Tisch auf ihn wartete. Ein großes Stück Truthahnbrust lag auf seinem Teller.
    »Ich kann nichts essen«, sagte er dumpf. »Daß du überhaupt einen Bissen hinunterbekommst! Wenn ich mir das vorstelle … jetzt, mitten im Moor … und sie sitzt da und weint … und nur, weil wir nicht aufgepaßt haben … wir alle nicht … der Alte nicht … und du und ich auch nicht! Sie ist doch noch ein Kind –«
    Das Kind hockte unterdessen mit Hilde Marchinski und der aus der Strafzelle entlassenen Käthe Wollop auf dem Zimmer und probierte das Geschenk der Anstalt Wildmoor an.
    Auch das war eine Neuerung, die Dr. Schmidt als Versuch eingeführt hatte. Während es sonst in den Gefängnissen zu Weihnachten einen Gottesdienst, einen Weihnachtsbaum im Gemeinschaftsraum, besseres Essen und die Ausgabe der zensierten Verwandtenpakete gab – in ganz großen Häusern spielten die Sträflinge sogar ein Weihnachtsmärchen oder ein Krippenspiel – hatte Dr. Schmidt eine andere Idee, wie man den Tag der Liebe begehen könnte. Von dem Arbeitslohn der Mädchen hatte er mit deren Einwilligung 10 % einbehalten; sie kamen auf ein Konto, wurden gespart und verzinst. Vor Weihnachten kaufte er dann für jedes seiner Mädchen ein passendes Geschenk … zusammen mit Hedwig Kronberg fuhr er in die Stadt und stöberte in den Kaufhäusern von Tisch zu Tisch, von Auslage zu Auslage, von Sonderangebot zu Sonderangebot, bis er seine lange Liste abgekauft hatte und zwei Verkäuferinnen die Pakete zu seinem Wagen schleppten.
    Von diesem Experiment war nichts bekannt geworden. Während der Bescherung saßen die Mädchen im großen Speisesaal mit gefalteten Händen brav und still an den Tischreihen, sahen auf die Bühne, auf der das Weihnachtsmärchen abrollte, bei dem Käthe Wollop den Josef spielte und zur Freude der Zuschauerinnen immer wieder während des Spieles kontrollierte, ob der Hosenlatz auch geschlossen war … und die ›Heimmütter‹ Julie Spange und Hedwig Kronberg standen an den Säulen und wunderten sich, wie sittsam selbst die schweren Mädchen waren, hinter deren Namen auf der Kartei in rot das Zeichen V stand, was soviel wie Versuch hieß. Mädchen, an deren Besserung selbst ein Idealist wie Dr. Schmidt nicht glauben konnte.
    Dann kam die Bescherung. Vom Büstenhalter bis zum Lockenwickler war alles vorhanden. Nach einer anfänglichen Stille der Verblüffung hallte der Speisesaal von Stimmengewirr, Lachen und Witzen wider, die ersten Umtausche wurden angeboten: Hüftgürtel gegen drei Schlüpfer, ein Paar Wollstrümpfe gegen eine geblümte Schürze – und dann marschierten die Mädchen an Dr. Schmidt vorbei, machten einen Knicks und bedankten sich.
    Nach der Feier, auf den Zimmern, begann das Anprobieren und das Kommentieren. Käthe Wollop hatte einen Pullover erhalten. Sie zog ihn über den nackten Körper, ging auf Zehenspitzen in Ermangelung hochhackiger Schuhe herum und ließ unter dem Pullover ihre Brüste wippen.
    »So war's, Kinder. Wenn mich so die Kerle sahen … vor allem die alten, grauhaarigen Böcke … dann liefen sie hinter mir her wie die Katzen hinterm Baldrian! Und Augen machten die … groß und glänzend wie Schaukelpferde –«
    Hilde Marchinskis Geschenk war ein Hüftgürtel. Dazu hatte sie ein Paar Perlonstrümpfe bekommen. Auf dem Etikett stand: tropic-tabak. Sie saß vor den beiden Geschenken und war ganz still und versonnen. Der Widersinn, im Moor diesen Gürtel zu tragen und an diesem Gürtel die dünnen Strümpfe, kam ihr voll zum Bewußtsein. Es war einer der stillen psychologischen Schläge, die Dr. Schmidt austeilte und die ab und zu auch mitten ins Herz trafen. Mit diesen

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