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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den anderen, sahen sich aus glänzenden, hungrigen Augen an und versanken dann wieder in einem langen Kuß, der mehr Sehnsüchte aufriß, als daß die Glut gestillt wurde.
    »Komm mit …«, keuchte Willi. »Ick warte heute nacht vor der Anstalt.«
    »Nein.« Hilde zog das Kopftuch wieder über ihre roten Locken. »Hab Jeduld, Willi.«
    »Jeduld! Jeduld! Ick komm mir vor wie'n ausjesetztes Waisenkind! Wat soll ick ohne dir?!«
    »Was haste denn bisher gemacht?«
    Es war eine Frage, die Willi immer gefürchtet hatte. Sie mußte kommen, es gab gar keine Möglichkeit, sie zu umgehen. Für diesen Fall hatte er auch bereits eine Reihe Antworten auswendig gelernt. Sie klangen ehrlich und vor allem möglich.
    »Ick hab jearbeitet«, sagte Willi und streichelte Hildes Beine.
    »Wo denn?«
    »Uff'n Bau. Als Maurer.«
    »Du –?«
    »Wat denkste denn!«
    »Zeig mal her!«
    »Wat denn?«
    »Deine Hände –«
    Willi zögerte. ›Mist‹, dachte er erschrocken. ›Daran hab ick nun wieder nich gedacht. Auf was die Weiber alles kommen.‹ Er steckte die Hände in die Manteltaschen und lächelte Hilde süß an.
    »Püppchen, sei lieb. Weeßte … uff'n modernen Bau, da gibt's Aufzüge, und …«
    »Die Hände her –«, sagte Hilde grob.
    »Bitte –« Beleidigt streckte Willi seine zarten, weichen Hände hin. Hilde drehte die Handflächen nach oben und nickte. Sie hatte nichts anderes erwartet.
    »Maurer! Ohne Schwielen. Hände, glatt wie'n Kinderpopo. Soll ich dir sagen, waste jemacht hast?!«
    »Püppchen …« Willi lächelte verlegen. »Unser Wiedersehen …«
    »Wer hat dich ausgehalten? Mary? Die blonde Mimi? Oder die Hexe von Angela? Los, raus mit der Sprache … wo haste gepennt?!«
    »Ein Gentleman schweigt –«
    In diesem Augenblick knallte es. Hilde Marchinski hatte ausgeholt, und ganz schnell, ganz trocken bumste die Ohrfeige an Willis Kopf. Da er in Hockstellung vor Hilde saß, fiel er von dem Schlag um und setzte sich in den Schnee. Die Zweige schnellten um ihn herum und peitschten ihm mehrmals ins Gesicht.
    »Du bist doch ein Saustück, Willi«, sagte sie ruhig. Eine große Ernüchterung war über sie gekommen. Sie staunte selbst darüber, wie kalt sie auf den Mann sehen konnte, dem in den vergangenen Monaten alle wirren Träume gegolten hatten. »Hau ab und laß mich in Ruhe …«
    »Hilde.« Willi richtete sich auf und wollte nach ihr greifen. Sie schlug ihm auf die Hand, ihre graugrünen Augen waren plötzlich hart und gefährlich. Augen einer gereizten Wildkatze. Willi kannte diesen Blick … es war besser, jetzt nichts mehr zu sagen. »Ick liebe dir doch …«, sagte er fast kläglich.
    »Arbeite erst!«
    »Wat haste dir verändert, Hilde …«
    »Gott sei Dank! Und nun geh ick Holz sammeln …«
    »Noch 'n Kuß.«
    »Gut, weil du es bist.«
    Sie beugte sich zu Willi hinunter, küßte ihn auf die zitternden Lippen und trat dann aus dem Gebüsch wieder auf die Waldschneise. Willi zupfte an dem Sack, der über den Zweigen hing.
    »Soll det ein Abschied sein?«
    »Ja. Ich muß was tun. Sonst fällt es auf.«
    »Ick komm aba wieder.«
    »Wenn du kannst. Aber dann zeig mir, daß du Arbeit hast …«
    Hilde Marchinski nahm den Sack von dem Gebüsch und wandte sich dem Wald zu. Die anderen Mädchen hatten schon einige Reisigbündel zusammengetragen. Hedwig Kronberg war in ihren Roman vertieft. Das Schicksal einer armen Gräfin war auch zu traurig, man mußte einfach mitfühlen.
    »Hilde –«, sagte Willi bittend.
    »Auf Wiedersehen.«
    »Bleib …«
    »Ich muß was tun …«
    Sie ging in den Wald. Verzweifelt stieß Willi zweimal seinen Pfiff aus. Hedwig Kronberg sah verwundert auf. Das war ein neuer Ton. Sie erhob sich von dem Baumstumpf und überblickte die arbeitende Kolonne. Willi kroch in sich zusammen wie ein Igel und hielt den Atem an. Er sah Hilde im Unterholz suchen, ruhig, ohne sichtbare Zeichen von Erregung. Sie ist anders geworden, dachte er erschrocken. Sie ist ganz anders geworden. Früher hätte sie nach nichts mehr gefragt … da wäre sie bei mir im Busch geblieben, und wenn draußen die Welt kopfgestanden hätte.
    Fast eine Stunde hockte Willi in seinem Gebüsch, fror erbärmlich, sah Hilde greifbar nahe vor sich und konnte sie nicht fassen. Er fluchte auf sein Schicksal und auf die Weiber, er nahm sich vor, Hilde zu vergessen, aber dann sah er wieder ihre roten Haare unter dem Kopftuch, ihre schöne Gestalt, die Erinnerung an heiße Umarmungen zerfleischte ihn, er steckte Schnee in den Mund, weil

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