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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine Lippen trocken wurden, er war in einem Zustand von unerträglicher Qual und nicht explosionsfähiger Wut … und so hockte er in seinem Versteck, bis die Mädchenkolonne wieder abmarschierte, singend und fröhlich, das Reisig in den Säcken über den Rücken tragend. Vorweg Hedwig Kronberg, ein wandernder Turm. Die Sonne war richtig warm, der Schnee leuchtete bläulich.
    »Das Wandern ist des Müllers Lust –«, sangen sie.
    Auch in Wildmoor gab es Stunden, in denen man spürte, wie schön das Leben ist.
    Willi kroch aus seinem Busch und schüttelte sich. Er war steif gefroren und zitterte vor angestautem Frust.
    Nicht einmal hatte sich Hilde Marchinski umgesehen, als sie abmarschierte. Nicht einmal!
    »Weiber!« sagte Willi laut. Dann brüllte er, trat gegen den Busch, und es tat ihm gut, daß er brüllen konnte und die Einsamkeit seine Stimme aufsaugte. Das Brüllen befreite und gab ihm seine verlorene Stärke zurück.
    »Weiber!!« schrie er.
    Dann trottete er zum Hofe Fiedje Heckroths zurück. Für ihn schien die Sonne nicht … der herrliche Tag war für ihn blind.
    Arbeiten, dachte er kummervoll. Wie kann man so ein unangenehmes Wort so herrisch-fordernd aussprechen –
    Regierungsrat Dr. Schmidt sah ein wenig zurückhaltend auf die elegante Dame, die vor ihm im Besuchersessel saß und die dünn bestrumpften Beine übereinandergeschlagen hatte. Sie trug hohe Fellstiefelchen, einen roten Wollrock, darüber einen dicken Weißfuchsmantel und eine Pelzkappe aus rotem Fuchs. Das schmale, stark geschminkte Gesicht war von dem Wechsel aus der Kälte des Tages in die Wärme des Amtszimmers gerötet und sah bei aller kosmetischen Unterstützung doch noch interessant und eigenwillig aus.
    Sie wußte es. Sie kannte ihre Wirkung auf Männer, und nun versuchte sie, die Männlichkeit in dem Beamten Dr. Schmidt zu wecken, indem sie die Beine etwas wippen ließ und in den Glanz ihrer großen Augen etwas Traurigkeit und Flehen legte. Ein Riesenhäschen mit der Gefährlichkeit einer Schlange.
    Dr. Schmidt ordnete seine Akten auf dem Schreibtisch, obgleich sie richtig lagen. Männer beschäftigen sich gern unnütz, wenn sie gegenüber einer schönen Frau in die Verteidigung gedrängt werden. Man nennt das Zeit gewinnen, sich sammeln, sich auf die verbriefte Stärke des Mannes zu konzentrieren, die beim ersten Anlauf der Weiblichkeit bereits weich geworden war. Man zieht sich gewissermaßen in die zweite Stellungslinie zurück.
    »Ich weiß nicht, Frau von Rothen«, sagte Dr. Schmidt, nachdem die Akten richtig lagen, »ob es klug ist, hier noch etwas zu unternehmen …«
    »Aber ich bin doch ihre Mama …«
    Helena v. Rothen sagte nicht Mutter, sie sagte Mama. Es klang so herrlich hilflos, so kindlich, daß selbst versteinerte Herzen wieder zu schlagen anfingen. Dabei warf sie einen Blick auf Dr. Schmidt, der andeutete: Gleich weine ich. Und dann will ich den Mann mal sehen, der nicht die letzten Möglichkeiten seiner Kavalierspflicht ausschöpft.
    »Natürlich sind Sie Vivians Mutter.« Dr. Schmidt versuchte ein beruhigendes Lächeln. »Aber Sie haben es selbst von der Heimmutter gehört: Ihre Tochter weigert sich, mit Ihnen zu sprechen.«
    »Das Kind ist verstört. Überwältigt von meinem Besuch. Man kann das verstehen. Die Psyche eines jungen Mädchens in einer solchen Umgebung leidet doch. Vivian war immer ein zartes Kind. Nur mein Mann hat es nie erkannt. Überhaupt mein Mann …« Helena v. Rothen winkte lässig ab. »Wäre das Kind bei mir geblieben, würde es jetzt nicht hier vegetieren …«
    Dr. Schmidt wurde verschlossen. »Ihrer Tochter geht es gut hier! Sie fühlt sich wohl.«
    »Hier?«
    »Erstaunlich, aber wahr.«
    »Das arme Kind.« Helena v. Rothen holte ein Spitzentaschentuch aus dem Pelz. Durch das Amtszimmer zog ein Hauch von Maiglöckchen. »Es ist ein Opfer unserer zerrütteten Familie.« Helena tupfte gegen die getuschten Augen, ganz vorsichtig, damit sie nichts verschmierte. Man kann Erschütterung auch diskret ausdrücken. »Mein Mann ist ein Bär … ein Arbeitstier. Immer nur seine Fabriken, immer nur Zahlen, Konferenzen, Sitzungen, Verträge … kein Familienleben mehr … Es war nachher unerträglich. Schließlich bin ich ja eine Frau –«
    Dr. Schmidt bezweifelte es nicht im geringsten. Aber er schwieg. Er kannte die Verhältnisse im Hause v. Rothen. Helena sah den Regierungsrat aus flimmernden Augen an.
    »Wenn ich Vivian sehen könnte … von weitem … wenn ich sie rufe … sie kommt

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