Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
und er wird gleich aussagen. Jetzt spricht er selbst …«
    Eine kurze Stille. Dann eine andere Stimme, etwas gepreßt, aber deutlich und ohne merkliches Zögern:
    »… Ich mache diese Aussagen freiwillig und ohne Zwang, aus dem Gefühl der Schuld heraus, die ich auf mich geladen habe. Es geht um die Rehabilitierung von Fräulein Monika Busse, die mich in ihrem Prozeß deckte. Ich will jetzt die Wahrheit sagen, die volle Wahrheit …«
    Das Tonband lief. Der Staatsanwalt hörte aufmerksam zu … er achtete nicht darauf, daß eine halbe Stunde verging und daß er zu seinem Inspektor gesagt hatte: »Länger als zehn Minuten nicht … dann kommen Sie rein und rufen mich zum Ersten Staatsanwalt.« Das war ein guter Trick, zumal der Erste Staatsanwalt in Urlaub war. Als nun der Inspektor zur Tür hereinschaute, winkte der Staatsanwalt energisch ab. Er hatte kein Interesse mehr für amtliche Notlügen.
    Mit einem leisen Zischen hörte das Tonband auf. Dr. Spieß hatte es nicht unterbrochen oder kommentiert … es war klar genug, was er mit Rolf Arberg aufgenommen hatte. Der Staatsanwalt schwieg eine Weile, dann putzte er sich die Nase.
    »Wenn das stimmt, ist das ein dicker Hund«, sagte er rauh.
    »Es stimmt!«
    »Weil's da gesprochen wurde? Nein, lieber Doktor, solche Dinge kann man schneiden. Sie wissen, daß Tonbänder als Beweismittel nicht zugelassen sind, nur, wenn sie in Gegenwart amtlicher Personen, also Polizei, Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft aufgenommen worden sind. Das ist hier nicht der Fall … also sagen wir zunächst: Die Sache stinkt. Immerhin kann es stimmen.« Der Staatsanwalt erhob sich. »Sie haben mich überzeugt. Kommen Sie … wir suchen diesen Rolf Arberg einmal auf.«
    Im Hause Bormeisterstraße 19, vierter Stock, rechts, wohnte ein Kunstschlosser Krause, als Dr. Spieß und der Staatsanwalt dort klingelten. Sein Ausweis stimmte. Erich Krause.
    »Und wo ist Herr Arberg?« rief Dr. Spieß.
    »Kenne ich nicht. Wer hier vorher wohnte? Weiß ich nicht.« Erich Krause hob die Schultern. »Ich hab das Zimmer durch einen Vermittler.«
    »Und wie lange wohnen Sie hier?«
    »Seit zehn Tagen …«
    »Danke.«
    Auf der Treppe blieb der Staatsanwalt stehen und ließ Dr. Spieß auf eine Höhe mit sich kommen. Der junge Anwalt sah bleich und verstört aus.
    »Warum sind Sie nicht eher zu mir gekommen, Doktor?« fragte der Staatsanwalt leise. Mitleid schwang deutlich in seiner Stimme.
    »Sie waren doch bis vorgestern in Urlaub … Ihr Urlaubsvertreter hatte keine Zeit …«
    »Ein schöner Mist …« Der Staatsanwalt knöpfte seinen Pelzpaletot zu. »Wissen Sie, was Sie jetzt können, Doktor?« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern nickte mehrmals. »Genau das können Sie, Doktor … Sie können Ihr Tonband wegwerfen –«

Das Reisigkommando rückte pünktlich wie immer auch an diesem Donnerstag aus. Es war morgens um 9 Uhr, die Sonne schien über das verschneite Moor und blendete. Ein herrlicher Wintertag. Und Hilde Marchinski war auch dabei.
    Vorweg marschierte Hedwig Kronberg vom Block 1. Für sie war ein solcher Ausmarsch immer ein Ausflug in die frische Luft, eine Erholung, ein Auffüllen der Lungen mit Ozon. Da die Sonne schien und die Mädchen fröhlich gestimmt waren, der Schnee glitzerte und es nachher eine Schneeballschlacht geben würde, getreu der Theorie von ›Wildmoor‹, daß Freude ein Baustein der freien Persönlichkeit ist, ließ Hedwig Kronberg ein Lied anstimmen.
    Zehn helle Mädchenstimmen jubelten in den sonnigen Morgen.
    »Früh morgens, wenn die Hahne kräh'n …«
    Pfeifen-Willi, der in einem Waldstück hockte, aus dem erfahrungsgemäß das Reisig geholt wurde, hörte den Gesang schon von weitem. Er verkroch sich ins Unterholz wie ein müder Hase und sah der kleinen dunklen Kolonne entgegen, die um die Waldecke bog und singend heranmarschierte. Unverkennbar war die große und füllige Gestalt Hedwig Kronbergs … in ihren Fußstapfen gingen die anderen, sie walzte einen Pfad durch den Schnee, den Kopf in den Nacken gelegt, hinaufblickend in den schönen blauen Winterhimmel. So sah sie nicht die einzelne Fußspur, die bereits in den Wald führte, und auch die Mädchen achteten nicht darauf.
    Willis suchender Blick glitt die Reihen der dunklen Gestalten ab. Alle trugen lange warme Kleider, alle Kopftücher, alle dicke, derbe Schuhe und Wollstrümpfe … sie sahen eigentlich alle wie Zwillingsschwestern aus. Dann erkannte er Hilde Marchinski – sie marschierte in der vierten

Weitere Kostenlose Bücher