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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Überraschung verborgen hält, kann die Freude in seinen Augen nicht verbergen. Aber diese Augen sind traurig, sind von einer hündischen Ergebenheit.
    »Warum Herr Dr. Spieß? Früher nanntest du mich Jochen –«
    »Früher. Wie lange ist das her?«
    »Keine zwei Jahre, Moni!«
    Monika Busse lächelte schmerzlich. »Wenn Sie Moni zu mir sagen, klingt das ganz komisch. Moni nannten mich meine Freunde an der Straßenecke, und so nennen sie mich hier in Wildmoor. Warum sagen Sie Moni?«
    »Ich dachte, es erfreut dich.«
    »Nein.«
    »Wäre es dir lieber, wenn ich dich Ika nenne?«
    »Ika?« Sie lachte plötzlich. Es war wie eine Befreiung, wie eine Explosion. Aller innerer Druck entwich mit diesem Lachen. »Ika, das klingt lustig! Das klingt so südamerikanisch.«
    »Der uralte Völkerstamm hieß Inka –«
    »Danke.« Monika machte einen Knicks. »Sie sind so klug, Herr Doktor.«
    Dr. Spieß biß sich auf die Lippen. Verfahren, schimpfte er mit sich. Jetzt ist die Karre restlos verfahren. Jetzt wird sie ironisch, zeigt die Stacheln. Man kann ein Mädchen, das spöttisch wird, nicht fragen: Willst du meine Frau werden?!
    »Wenn dir Ika gefällt –«, versuchte er noch etwas zu retten. Monika nickte. »Ika ist ein Name voll Poesie.« –
    »Ja –«
    Das Gespräch versandete im Banalen. Sie sahen sich wieder stumm an und wußten nicht, wie es weitergehen sollte.
    ›Wie soll ich es ihr sagen?‹ grübelte Dr. Spieß.
    ›Was will er bloß?‹ dachte Monika.
    »Haben Sie Nachricht von zu Hause?« fragte sie, um das quälende Schweigen zu unterbrechen. Dr. Spieß nickte.
    »Ja. Sie lassen alle grüßen.«
    »Nur grüßen?«
    »Und uns Glück wünschen –«
    »Glück wünschen? Uns? Wieso?« Monika legte die Hände flach auf die Brust. Ihr Herz trommelte auf einmal, das Blut rauschte in den Schläfen und übertönte alle äußeren Geräusche. Es war, als wenn sie zwei große Muscheln an beide Ohren hielte und die Welt nur aus dem imaginären Meeresrauschen bestände. Was ist das, dachte sie erschrocken. O Gott, was ist das denn?
    »Ich erinnere mich an einen Herbstabend«, sagte Dr. Spieß leise. Er nahm Monikas Hand und führte sie zu einem der Sessel. Sie folgte ihm ohne Widerstreben, es war, als zöge die Stimme sie magisch mit, als sei ihr Herz im Sog eines unsichtbaren, riesigen, unwiderstehlichen Magneten. Sie setzte sich, als sie den leichten Druck seiner Hände auf ihren Schultern spürte und legte die Hände in den Schoß. Als er weitersprach, schloß sie die Augen. Sie mußte es einfach tun; es war zu schön, ihr zu lauschen, viel zu schön, um das Bild der Umgebung noch zusätzlich in sich aufzunehmen.
    »Es war schon dunkel. Ich kam von der Universitätsbibliothek, und du wolltest von einem Einkauf nach Hause …«
    »Das war gelogen.« Ihr Kopf sank noch etwas tiefer. »Ich wollte gar nicht nach Hause – ich wollte ins Kino. Ich hatte mich mit Ludwig verabredet, Ludwig Rebsam, kennst du ihn?«
    »Ja. Der strohblonde Junge von Schuhmacher Rebsam.«
    »Ich habe ihn an diesem Abend sitzenlassen. Ich habe nicht gewagt, dir zu sagen, daß ich ins Kino wollte. Du warst so nett zu mir –«
    Es fiel ihr gar nicht auf, daß sie Du sagte. Es war so selbstverständlich, weil es möglich war, die Zeit zurückzudrehen.
    »Das alles wußte ich nicht.« Dr. Spieß legte beide Hände auf ihre Schultern. Er stand hinter ihr und blickte auf ihre goldblonden Haare. »Damals, an diesem Herbstabend, sah ich zum erstenmal, daß die kleine Monika Busse, der ich einmal die Rotznase geputzt hatte, erwachsen war. Du trugst Schuhe mit hohen Absätzen, deine Beine waren – wie jetzt – lang und schlank, nur die Naht des linken Strumpfes war etwas schief. Ich hatte damals das unbändige Verlangen, ›Halt, bleib stehen!‹ zu sagen, mich niederzubeugen und dir die Naht gerade zu ziehen. Aber ich wagte es nicht, weil ich plötzlich sah, wie erwachsen du warst. Aber ich faßte dich unter, ich schob meinen Arm unter deinen, und so gingen wir durch die abendstillen Straßen, wie ein altes Liebespaar, und wir haben uns nichts dabei gedacht.«
    »Du nicht –«, sagte Monika leise. »Ich habe gedacht: Wie dumm ist doch der Ludwig Rebsam. Jochen hat sich bei mir eingehängt … der richtige Doktor Jochen, der bald ein Rechtsanwalt sein wird. Ein großer Verteidiger. Ich war verdammt stolz, damals. Ich habe mir gewünscht, daß alle meine Freundinnen das sehen könnten, aber keine war da. Sie hatten sich schon alle mit ihren Jungs

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