Mädchen im Schnee
Erinnerung. Und schweineteuer. Eine gute Investition , hatte einer der Experten gesagt. Ja, mein Gott.
»Schickes Haus«, flüsterte Petra und zeigte diskret auf einen nicht allzu bequemen Sessel, der in einer Ecke vor einem niedrigen Regal voller zerlesener Taschenbücher stand.
Da waren fünf weiße Spiegeltüren, alle geschlossen.
»Die zweite rechts war es, oder?«, fragte sie.
Als Christer nickte, drückte sie vorsichtig die Klinke herunter und öffnete die Tür. Warum flüstern wir und schleichen hier herum?, fragte er sich. Flößt uns die Umgebung so viel Respekt ein?
Petra stellte sich auf den Flickenteppich mitten im Zimmer und sah sich um.
»So, so«, sagte sie und trat an den Schreibtisch, auf dem ein Computer und ein Haufen Schulbücher lagen, öffnete ein paar Schubladen und tastete darin herum. »Wenn sie so drauf ist wie ich in ihrem Alter, dann hat sie irgendwo ein Tagebuch.«
Sie griff hinter die Bücher im Regal, durchsuchte systematisch Regalbrett für Regalbrett. Als sie auch dort nichts fand, kroch sie unter das Bett.
In so was ist sie echt gut, dachte Christer. Die Geheimnisse von anderen aufspüren. War das Tagebuchschreiben Mädchensache? Er selbst konnte sich nicht erinnern, jemals ein Tagebuch geführt zu haben. Natürlich hatte er seine Geheimnisse gehabt, wertvolle Dinge, die er in einen kleinen Tresor eingeschlossen hatte, doch der hatte sichtbar neben dem Briefmarkenalbum und seiner kleinen Plattensammlung im Regal gestanden.
»Ich hab’s«, sagte Petra aus dem Dunkeln.
Der Flickenteppich schob sich unter ihrem Rücken zusammen, als sie sich wieder herausschlängelte.
»Jugendliche glauben gern, sie seien schlau, aber sie denken doch alle gleich«, sagte sie und winkte mit einem schwarzen Notizbuch. »Zumindest im Prinzip.«
»Ich gehe mal davon aus, dass du deine eigenen Kinder nicht auf diese Weise bloßstellst, so wie die Mutter aus der Hölle oder so.«
»Ich versuche, mich zurückzuhalten. Aber bisher hatte ich zum Glück auch noch keinen Grund.«
Sie verließen das Zimmer, und Christer machte die Tür ebenso vorsichtig zu, wie Petra sie geöffnet hatte.
»Ich nehme das hier mal mit aufs Revier«, sagte Petra zu Ernst Losjö, als sie wieder in die Küche kamen.
Christer stellte fest, dass es Losjö offenbar nicht gelungen war, seine Frau zu wecken. Stattdessen saß er mit den Händen im Schoß da und starrte vor sich hin. Im Grunde fand Christer es etwas komisch, dass jemand lag und schlief, wenn seine Tochter verschwunden war und die Polizei zu Besuch kam.
»Ist das ein Tagebuch?«, fragte Losjö erstaunt.
»Ja«, sagte Petra. »Sicherlich ist es ein seltsames Gefühl, wenn wir jetzt darin lesen, aber es ist durchaus möglich, dass sich die Erklärung hier findet.«
Ernst nickte.
»Wir bräuchten auch noch ein aktuelles Bild von Hedda«, sagte Christer.
»Natürlich«, sagte Ernst Losjö leise. »Das werde ich besorgen. Was passiert jetzt?«
»Wir werden damit beginnen, eine Suchanzeige zu stellen, und dann werden wir hier in der Gegend Suchtrupps aussenden«, sagte Christer. »Aber das Wetter ist natürlich ein Problem.«
Das Thermometer vorm Fenster zeigte sechsundzwanzig Grad minus.
Jeanette warf Magdalena den Plastikumhang um und machte ihn um den Hals fest.
»So eine Kälte! Das ist ja unmenschlich.«
»Ich hatte fast schon vergessen, wie sich das anfühlt«, sagte Magdalena, die von ihrem kurzen Heimweg von der Redaktion immer noch eine rote Nase hatte.
»Was sollen wir denn machen?«, fragte Jeanette und fuhr mit den Fingern durch Magdalenas Haar.
Widerwillig betrachtete Magdalena ihr müdes, blasses Gesicht und fing dann Jeanettes Blick im Spiegel auf. Die Kälte hatte die Haut um ihre Lippen und rissig werden lassen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann ihre Mundwinkel einreißen würden.
»Ich weiß nicht. Schneid auf jeden Fall die dünnen Spitzen ab. Aber lass so viel wie möglich von der Länge.«
»Vielleicht ein paar helle Strähnchen? Die würden sich in deinem Rotblond gut machen.«
»Gern, aber ich hab nicht genug Zeit.«
»Ach, so lange dauert das gar nicht. Du kannst die Mittagspause doch wohl zwanzig Minuten überziehen, oder?«
Magdalena kalkulierte rasch. Die Runde durch die Stadtverwaltung hatte sie hinter sich, jetzt stand nur noch der übliche Anruf bei der Polizei um fünfzehn Uhr an – wahrscheinlich höchstens ein paar aufgebrochene Garagen –, und dann musste sie noch eine Mini-Umfrage veranstalten: Drei
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