Mädchen im Schnee
Nase runterziehen. Noch einen, dann hören wir auf.«
Christer waren die Beine eingeschlafen, und er konnte nicht mehr sitzen.
Was er am meisten von allem befürchtet hatte, geschah. Schon von fern sah er, wer jetzt die große Schneewehe am Eingang umrundete und zur Tür hinkte. Sein Vater.
»Siehst du, wir mussten gar nicht lange warten«, flüsterte Petra. »Waidmanns Dank! Und er trägt nicht mal ’ne Mütze. Mir kommt er irgendwie bekannt vor – dir nicht?«
»Auf die Entfernung ist das schwer zu sagen, aber nein … Nein, ich kenne ihn nicht.«
Bengt zog die Eingangstür auf und stieg langsam die Treppe hinauf. Petra schob eine Haarsträhne beiseite, die ihr in den Mund geraten war, und widmete sich dann wieder der Kamera.
»Das hier ist wirklich supergut. Jetzt geht er in die Küche. Man sieht sogar, wie er seine Brieftasche aus der Innentasche zieht und bezahlt. Er scheint die Zuhälter zu kennen.«
Petra zuckte zusammen, als Christer die Autotür öffnete.
»Was machst du?«
»Ich muss pinkeln«, sagte Christer und stieg aus.
Er stolperte über den Schnee und schaffte es gerade noch bis hinter das Fahrradhäuschen, als sich ihm der Magen umdrehte und er sich vor der Holzwand übergab.
Magdalena hatte gerade den Fernseher ausgeschaltet, als das Handy klingelte. Ein Blick auf das Display verriet, dass Petter anrief.
Sie holte tief Luft und nahm das Gespräch an.
»Hallo, ich bin’s«, sagte Petter. »Und du bist rangegangen.«
Plötzlich fror sie, als hätte sie Schüttelfrost.
»Ja, das bin ich.«
Magdalena ließ sich aufs Sofa fallen und schloss die Augen.
»Was machst du?«, fragte Petter.
»Nichts Besonderes. Hab ein bisschen ferngesehen.«
»Du hast ziemlich viel zu tun in der Redaktion, oder?«
»Ja. Natürlich habe ich nicht damit gerechnet, dass ich hier als Erstes über einen Mord berichten muss. Ich hatte mich mehr auf Gemeinderatssitzungen und Befragungen auf der Straße eingestellt. Über Windbeutel zur Faschingszeit und so.«
»Ich habe viel an dich gedacht, seit wir uns da in der Kyrkogatan getroffen haben.«
Magdalena überlegte kurz, schluckte und antwortete:
»Ich habe auch viel an dich gedacht.«
»Wirklich?«
Petter klang erstaunt.
»Aber einfach so wieder anzufangen ist nicht möglich«, sagte sie. »Ich habe gerade eine Scheidung hinter mir, und es geht mir nicht sonderlich gut.«
»Das verstehe ich«, sagte Petter leise. »Vielleicht können wir uns auch einfach nur mal treffen. Und reden. Das kann ich inzwischen etwas besser als früher.«
»Ich weiß nicht.«
»Wir könnten einen Spaziergang machen oder so.«
Magdalena musste lachen. Petter mochte Spaziergänge noch nie.
»Ja, lach du nur. Wir könnten um den Värmullen gehen. Was ist denn daran so komisch?«
Magdalena dachte nach. Die Wahrscheinlichkeit, dort jemanden zu treffen, den sie kannten, war groß. Andererseits …
»Okay«, hörte sie sich selbst sagen.
»Okay. Heißt das, du willst?«
»Ich glaube schon.«
Mein Gott, was mache ich hier bloß?
»Am Samstag? Was hältst du davon?«
»Ja. Doch. Das müsste gehen. Nils ist ja auch noch da, aber den kann ich zu Melvin rüberschicken. Er wohnt sowieso schon fast dort.«
»Melvin?«
»Dianas Jüngster. Die beiden kommen in eine Klasse und spielen sowieso immer zusammen.«
»Sagen wir, um zwölf Uhr auf der Brücke am Sund?«
»Ja«, hauchte Magdalena.
Als sie aufgelegt hatten, blieb Magdalena noch lange auf dem Sofa sitzen und hing ihren Gedanken nach.
Ja, wieso eigentlich nicht?
Christer starrte mit leerem Blick auf den Bildschirm. Er hörte, wie Petra die Tür zur Waffenkammer aufmachte, um die Videokamera dort einzuschließen, ebenjene Video kamera, auf der ganz deutlich sein eigener Vater auf dem Weg zu einem Bordell mit minderjährigen Mädchen zu sehen war. Jetzt wurde die Tür zugeschlagen und der Code der Alarmanlage eingegeben.
»Das haben wir gut gemacht.«
Petra streckte den Kopf zu Christer herein.
»In der Tat«, erwiderte Christer und sah vom Bildschirm auf.
»Eigentlich sollte ich heute noch die Bilder auf den Computer ziehen und durchschauen, aber da werden wir uns bis morgen gedulden müssen. Willst du noch lange hier sitzen?«
»Nein. Ich mache das hier nur noch fertig.«
Petra setzte ihre Mütze auf und zog ihre Fleecehandschuhe an.
»Alles in Ordnung, bist du sicher?«, fragte sie besorgt.
»Doch, doch. Ich weiß auch nicht, was das ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, mir steckt was in den
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