Mädchen im Schnee
ohne dass mir schlecht wird.
Spät am Abend erreichten wir dann die polnische Grenze.
Dort wartete ein anderes Auto auf uns. Leonardo sagte, wir sollten sitzen bleiben. Er stieg aus, und wir sahen ihn lange mit zwei Männern reden, sie rauchten und lachten. Dann kam er zurück und holte unsere Pässe, doch anstatt sie uns zu geben, händigte er sie einem der beiden Männer aus. Damals wussten wir nicht, wie er heißt, aber jetzt weiß ich es.
Kosta.
17
Die Januarsonne lugte aus der dünnen Wolkendecke hervor. Magdalena stand vor Melvins Haus und wollte Nils umarmen.
»Lass das«, sagte er und wand sich aus ihrem Griff.
Magdalena lächelte. Am Morgen war er noch ein verschmuster kleiner Junge gewesen, aber jetzt war er der große, starke Sechsjährige.
»Bis später«, sagte sie, als Melvin aus dem Haus kam, und die beiden verschwanden Richtung Iglu in Melvins Garten.
Magdalena winkte Gunvor hinter ihrem Küchenfenster zu und machte sich auf den Weg. Der Schnee glitzerte in der Sonne, und sie sog die angenehm kühle Luft durch die Nase ein.
Worauf habe ich mich da nur eingelassen?, dachte sie. Doch dann schob sie die Frage beiseite. Ist mir egal. Ich will .
Und wie versprochen stand Petter da, an das Brückengeländer gelehnt, und wartete. Er trug eine grüne Daunenjacke, Jeans und braune Stiefel. Sein dunkles Haar lugte unter der Mütze hervor.
Er sah wirklich gut aus.
»Hallo«, sagte sie leise.
»Hallo.«
Petter sah sie aus zusammengekniffenen Augen fröhlich an.
»Sollen wir?«, fragte er und deutete mit dem Kopf auf den schmalen Weg. Magdalena sah ihn an, das vertraute Profil. Die Zeit hatte feine Fältchen um seine Augen eingegraben, und dennoch. Dasselbe. Genau dasselbe.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher.
»Warum bist du eigentlich wieder zurückgekommen?«, fragte Petter schließlich. »Das hätte ich nie gedacht.«
»Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Wahrscheinlich schätzt man viele Dinge wieder mehr, wenn man sie eine Zeit lang entbehrt hat. Es waren einfach zu viele Eindrücke in Stockholm, alles war so hektisch. Da verzettelt man sich leicht und vergisst, was wichtig ist.«
Petter lachte.
» Man schätzt und entbehrt hat . Wie sprachgewandt du geworden bist.«
Magdalena hatte gemerkt, dass ihr genau diese Wörter nicht so recht über die Lippen wollten, hatte sie aber nicht mehr aufhalten können.
»Ja, vielleicht«, sagte sie. »So ist das eben. Man passt sich an.«
»Das ist doch nicht schlimm, so meine ich das nicht. Es klingt nur ungewohnt.«
Die Wolkendecke hatte sich jetzt völlig zurückgezogen. Die Sonne glitzerte zwischen den Bäumen hindurch und malte Schatten auf den frisch geräumten Weg.
»Was für eine tolle Schlittenbahn«, sagte Petter.
»Ja, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal Tretschlitten gefahren bin. Nils hat das überhaupt noch nie gemacht.«
»Was? Er ist noch nie Tretschlitten gefahren? Dann musst du ihm einen kaufen. Bei Svanströms gibt es gute für Kinder. Oder, warte mal, vielleicht habe ich in meinem Schuppen noch einen kleinen von den Mädchen. Ich sehe mal nach.«
Als Petter nach Magdalenas Hand griff, ließ sie ihn gewähren und spürte seine Wärme durch ihren Handschuh.
»Ihr seid geschieden?«, fragte Petter.
Magdalena versuchte, nicht an Petters Hand zu denken, auch wenn ihr das schwerfiel.
»Ja, das sind wir. Seit vorigem Winter. Aber ich glaube nicht, dass ich darüber reden kann, zumindest nicht jetzt. Das alles hat extrem an meinen Kräften gezehrt.«
»Das verstehe ich. Malin und ich sind seit vier Jahren geschieden, eigentlich fast fünf. Die Mädchen kennen das gar nicht anders. Wie hat Nils eure Trennung verkraftet?«
»Am schlimmsten war es wohl für ihn, dass wir aus unserem Haus in eine Stadtwohnung gezogen sind. Da hatte er es weit bis zu seinen Freunden, musste in eine andere Tagesstätte gehen und … Ja, ich glaube, das war anstrengend für ihn. Für uns beide.«
»Und jetzt? Gefällt es ihm in Hagfors?«
»Mal so, mal so. Manchmal vermisst er seinen Papa sehr, aber verglichen mit der Zeit im Herbst ist er jetzt ein ganz anderer Junge, viel fröhlicher. Ich kriege ihn kaum noch zu Gesicht, er spielt einfach pausenlos.«
Sie näherten sich dem Wohngebiet am Hagälven, als Petter plötzlich stehen blieb. Er beugte sich vor und küsste sie, behutsam und schüchtern, als wäre es das allererste Mal. Magdalena trat einen Schritt näher und legte beide Arme um seinen Hals.
So war
Weitere Kostenlose Bücher