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Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Titel: Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Brady
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zu erklimmen, würde er bloß das Übliche zu sehen bekommen: Kartons mit längst vergessenem Weihnachtsschmuck, ein paar aussortierte Lampen und Möbelstücke.
    Wagte man sich jedoch weiter vor, an der eingestaubten Sammlung alter Habseligkeiten vorbei, würde man erkennen, welchem Zweck der Dachboden wirklich diente. Unter einem Dachbalken standen sechs Staffeleien, jede mit einem Foto von jeweils einer der Frauen auf der Liste versehen. Vier der Porträts, inklusive dem von Rosie McNamara, waren verunstaltet. Zwei waren noch unversehrt.
    Aber nicht mehr lange. Sonntag. Endlich war es so weit – nach all den Jahren und dem Schmerz, der fast nicht zu ertragen war. Jetzt nahte die Zeit der Vergeltung. Der Absolution.
    Mach dich an die Arbeit. Die Perücke war aufwendig herzustellen, aber ein Liebesdienst. Aufnehmen, durchziehen, festknoten. Aufnehmen, durchziehen, festknoten. Wieder und immer wieder. Eine dünne Strähne nach der anderen, bis die Finger taub wurden. Die Arbeit ging ihm mittlerweile leichter von der Hand als bei den ersten beiden Frauen – Übung machte den Meister –, aber es würde trotzdem noch Stunden dauern, bis Rosies dunkle Strähnen ganz verknüpft waren.
    Das Blut war ausgewaschen worden, und das Haar war getrocknet. Jetzt glitt der Kamm fast mühelos durch die Strähnen, die im Licht einer einzelnen Deckenleuchte dunkel glänzten. Wunderschöne Locken. Weder von einer Dauerwelle angegriffen noch zu kurz geschnitten. Kurzes Haar war ein Alptraum. Eine Verschwendung.
    Rosies Haar hingegen war ideal.
    Der Killer schaltete einen kleinen Fernseher an und ließ sich auf einem Schemel nieder. Dann holte er die Hechel mit den fünfhundert spitzen Nägeln hervor und schlug die schwarze Haarsträhne ein. Ziehen, schlagen, ziehen, schlagen.
    Was zu dünn war, wurde herausgekämmt, damit die Strähne schön glatt wurde, ohne eine einzige verfilzte Stelle. Im Hintergrund lief das Mittagsmagazin. Die Stimme des Nachrichtensprechers leierte herüber. Bislang noch kein Wort von McNamara, weder letzte Nacht noch heute. Ihr plötzliches Verschwinden schien keinen Menschen auf dieser Welt zu interessieren.
    Der Killer beschloss, die Nachrichten vorsichtshalber weiterlaufen zu lassen. Jetzt Rosies Haare in die Kardätsche legen. Fertig. Den Perückenkopf holen und entscheiden, wo die Haare verknüpft werden sollen. Vielleicht ein bisschen davon so, dass es über die Wange fiel? Oder wäre es hübscher, sie ein wenig breiter zwischen die roten, goldblonden und hellbraunen Haartressen zu setzen, um die Farbkontraste ein wenig zu kaschieren? Was würde Kristina wohl gefallen?
    »… ein Jahrmarkt, der am Wochenende beim Camden Park stattgefunden hat.«
    Die Stimme des Nachrichtensprechers schien lauter zu werden.
    »Einer jungen Frau, deren Name zu diesem Zeitpunkt noch nicht genannt wird, ist brutal in den Hals gestochen worden …«
    Was? Rosies Haar fiel auf die Arbeitsplatte. Auf dem Bildschirm war die Kameraaufnahme eines Parkplatzes zu erkennen, auf dem es von Rettungskräften wimmelte. Die Kamera schwenkte weiter zu ein paar Detectives und zeigte dann die Umgebung des Parkplatzes mit dem Wäldchen.
    Nein, das konnte nicht sein. Doch so war es. Das war Camden Park.
    Eine Leiche? Panik kochte in ihm hoch, vermischt mit Wut. Leiche? Wie das?
    Dieser verdammte Fulton.
    Der ging beim ersten Klingeln ans Telefon und fing sofort an, sich zu rechtfertigen.
    »Ich kam nicht an sie ran«, sagte er. Dreckskerl. »Ich bin gleich hin, nachdem ich Sanders erledigt hatte. Doch da waren lauter Verkäufer und Schausteller. Du hast keinen Ton davon gesagt, dass da ein Scheißjahrmarkt stattfindet.«
    »Du hättest später noch mal hingehen können.«
    »Bin ich ja. Aber da haben die gerade die Karusselle abgebaut und aufgeräumt. Ein Typ hat sich mit mir unterhalten, dem ist mein Fahrzeug aufgefallen. Ich konnte nicht länger bleiben.«
    Wut breitete sich in ihm aus. So unglaublich nahe dran – und jetzt hatte Fulton vielleicht alles aufs Spiel gesetzt. Verdammter Scheißkerl.
    Doch man konnte ihn nicht ziehen lassen. Er wusste, wo die Leichen lagen – er hatte sie selbst vergraben. Und es war nicht leicht, jemanden wie Fulton aufzutreiben. Ein Soziopath, bei dem man fälschlicherweise Schizophrenie diagnostiziert hatte. Fulton war ohne einen Hauch dessen geboren, was menschliches Mitgefühl genannt wurde. Für Männer wie ihn gab es weder Therapieformen noch Medikamente, denn sogar die moderne Psychiatrie hatte

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